Freitag, 30. April 2010

37. Iteration



Ein neuer Computerspielpreis ist vergeben. Mediengeschichte wurde geschrieben, erneut, denn wie ihre Vorgänger Veranstaltungen war auch diese Computerspielpreisverleihung im Berliner Congress Centrum BCC dieses Jahr in erster Linie eine politische Veranstaltung. Man kann sagen, die Politik ist bei den Spielen angekommen, bzw. vorwiegend Malte Behrmanns Lobbyarbeit, die er geschickt mit seinen Mitstreitern durch Zusatzämter wie Kulturratmitgliedsschaft, GAME Verband Co-Geschäftsführung und Verbandsarbeit beim EGDF begünstigt, in die vielen Gremien hineinträgt, in denen er tätig ist und tätig werden möchte. Das kann dann auch schon mal dazu führen, dass in allgemeinen Krisenzeiten Erzrivalen wie Olaf Wolters, dem Geschäftsführer vom BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware), und er ausnahmsweise mal zusammen an einem Strang ziehen. In wie fern Co-Geschäftsführer beim GAME Anwalt Claas Oehler und Stefan Reichart, der Hauptorganisator der Quo Vadis, in diesem Fall ihren schlichtenden Beitrag zur Einigung zwischen GAME Verband und BIU beigetragen haben oder ob es doch an der Beteiligung des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft)liegt, sei dahin gestellt. Fakt ist: ein Preis wurde verliehen und zu diesem Anlass reisten die Entwickler und Publisher Vertreter an sondern auch der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, Olaf Zimmermann Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats und auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann.

Und dies alles vor dem Wahlkampf in NRW und finanziert von Geldern des Bundes und der Spielewirtschaft. Doch wenn der Bund schon mal tief in seine Tasche langt, möchte er auch MItspracherecht bekommen bzw. dafür sorgen, dass der Glanz des Modernen auf ihn überfärbt. Parteienübergreifend kann keiner behaupten, in technisch geprägten Zeiten wie diesen gerne als Ewiggestriger wahr genommen zu werden und so sprang die Politik nach geschickt eingefädelter Vorlage von Malte Behrmann nun auch auf diesen Zug auf. Zwar flossen bei der Vergabezeremonie des Deutschen Computerspielpreis nicht wie im Fall von Banken Sanierungsvorhaben und Währungsunionsgefährdenden Staatsbankrotten Milliarden aber 500.000 Euro waren drin, das heisst eigentlich nur 250.000 Euro, da die andere Hälfte der Preisgelder von den am Event beteiligten privatwirtschaftlichen Verbänden kam (GAME, BIU und BVDW).



Wie dieses Geld aufgebracht wurde, möchte man angesichts der dann doch eher bescheiden Haushaltssituation des GAME Verbandes lieber nicht fragen. Sicher ist: es wurde gezahlt und Summen zwischen 15.000 Euro und 75.000 Euro in den einzelnen Kategorien und 100.000 Euro in der Hauptkategorie erreichten ihre Empfänger. Jedoch machte es einen zum einen stutzig zu sehen, dass viele der Juri Mitglieder handverlesene Lobbyisten der deutschen Games Industrie und Politik zu sein schienen. Für wahre kritische Stimmen von Experten fehlte daher rein äußerlich betrachtet die credibele Außenansicht. Vielen dieser sich aus der Menge der Anwesenden sichtbar nach Aufforderung des Moderators erhebenden Jury Mitglieder schienen die Spiele nicht einmal angespielt zu haben.

Das alle Anwesenden einende Band der politischen Absicht, ein plakatives Bild für gewaltlose Games zu machen nach der allerorts grassierenden Gewaltdebatte, verdrängte unversehens die kritischen Stimmen, von denen der eine oder andere auch gerne dem nomminierten Uncharted2 die Auszeichnung "Bestes internationales Spiel"hätte zukommen sehen. Doch da in dem Spiel Waffen vorkommen, ging der Preis - für viele unverständlich - an Anno 1404. Dieses in Deutschland produzierte Aufbau-Strategiespiel erhielt auch den Preis für das beste Deutsche Computerspiel. Etwas zu kurz kamen nach Ansicht einiger Beteiligter Onlinespiele. Doch da in Deutschland kaum nennenswerte Online Spiele produziert werden von Browser Games einmal abgesehen wurden die Preise in erster Linie in doch eher herkömmlichen Kategorien wie Bestes Kid- und Jugendspiel, Bestes Mobile Game, Bestes Adventure, etc. verliehen. Da ist in Zukunft sicher noch mehr zu erwarten. Vielleicht sollte man um ein Beispiel zu geben in dem Zusammenhang auch mal über eine Preis in der Kategorie Beste internationale Co-Produktion nachdenken...

Der eine oder andere Begünstigte Preisempfänger hätte sich sicher etwas mehr Geld gewünscht. Angesichts der in anderen Ländern vorhandenen Infrastrukturvorteile und besserer bereits etablierten Fördermechanismen sind diese Preise in Deutschland zur Zeit sicher nicht mehr als gut gemeinte Gesten. Schön aber, dass es überhaupt etwas gab und dieses Event auch eine schmale Medienaufmerksamkeit hervorrief (auch wenn der Medientrubel sich noch sehr in Maßen hielt). Ein Zeichen wurde mit dieser Veranstaltung bestimmt gesetzt. Man signalisierte Einigkeit. Von einer Academy Award Verleihung oder einem GDC Award war diese Veranstaltung trotz im Ansatz erkennbarer Tendenzen weit entfernt.

Am Ende waren alle happy. Zumindest für den Moment. Vielen wird diese etwas plakative Kampagne im Schulterschluss von Politik und Game Wirtschaft gar nicht aufgefallen sein. Die bei diesem Event vertretene national-deutsche Game Lobby institutionalisierte die Politik und umgekehrt. In vielen Punkten entsprachen die Worte Bern Neumanns auch der damaligen redaktionellen Leitlinie der GAME FACE. Es wurden Gewaltlosigkeit und Innovation von den Entwicklern eingefordert so wie Impulse zum kreativen Umgang mit Technologien. Zwar fielen die vergebenen Preisgelder noch etwas sehr bescheiden aus, doch sind diese ersten Tropfen auf den heissen Stein schon mal ein zweiter kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ob diese Nähe zur Politik sich nicht vielleicht eines Tages doch noch als etwas kritisch erweisen dürfte, wird sich zeigen. Meiner Meinung nach sollten sich Politiker und auch Lobbyisten nicht an der Juri beteiligen dürfen. Hier sollte man Journalisten und Produzenten das Feld überlassen. Es fehlte auch ein Publikumspreis oder ein Preis in der Kategorie Bestes Migrantenprojekt. Man darf gespannt bleiben, wie es nächstes Jahr werden wird, bzw. ob der internationale GDC Award nicht eines Tages auch eine europäische Tochter erhalten könnte, wenn der Deutsche Computerspielpreis als Event auch in Zukunft eine plakative politische Veranstaltung bleibt. Die Qualität der ausgezeichneten Spiele sollte in jedem Fall mehr Gewicht haben als politische Intentionen einzelner Akteure oder auch die Inszenierung einer in diesem Fall vielleicht sogar etwas falsch verstandenen political correctness.



Montag, 19. April 2010

36. Iterationen



Im vorangegangenen Posting schrieb ich: "die Alten haben uns bald schon fest im Griff"...

Also ich glaube, ein wenig plakativ muss man es eben bisweilen schon formulieren, damit jemand reagiert. Ich selbst bin mit knapp 40 auch schon nicht mehr der Jüngste und dennoch sind die, die heute jung sind nicht mehr so in der Überzahl wie es seiner Zeit die 68er waren.

Jedoch lohnt die zahlenmäßige Evaluation der derzeitigen Situation. Denn da die Jugenlichen gerade im Hinblick auf all die bunten Entertainment Angebote heutzutage zu politisieren sind als unsere älteren Staatsbürger zeichnet sich hierbei deutlich ein zahlenmäßiges Mißverhältnis ab.

Die Loveparade war sicher eine Idee, Jugenliche zu motivieren aktiv zu tanzen und zu konsumieren. Auf ihren Demonstrationen durfte aber auch getanzt werden. Gibt es denn etwas vergleichbares wie eine Loveparade heute? Gibt es denn eine Demonstration, die von der Jugend ausgeht? Ist die Jugend denn nicht heute in den Clubs und vor den Bildschirmen? Kann man sie denn noch mobilisieren, dass so es überhaupt noch etwas bringt?

Bei den Veranstaltungen des Chaos Computer Clubs wird schon jährlich eine kritische Menge an klugen Köpfen mobilisiert. Jedoch sind es zu wenige, um einen Stein in Rollen zu bringen. Die Themenauswahl dieser Events liegt qualitativ deutlich über der kommerzieller Anbieter von Game Events etc., die sich vielfach nicht trauen, politische Themen mit auf die Agenda zu setzen, die nicht die Vermehrung des Konsums vielfach von Gewalt verherrlichenden Spieleinhalten thematisieren. Dabei sind die Fragen unserer Zeit die eng an die Progression der technologischen Entwicklung und ihren politischen Reperkussionen gekoppelt. Woran liegt das? Keiner möchte darüber diskutieren.

Aber es gibt Gewaltspiele und immer spielen dort die Unterlegenen gegen eine Übermacht. Resultiert die Lust an Gewaltspieleinhalten nicht auch aus einer potentiellen Unterlegenheitssituation heraus? Befinden wir uns nicht gerade alle in einem War Against Terror? Damals hat man noch lautstark gegen die Gewaltvideos polemisiert. Heute ist der Krieg für uns zur Normalität unseres Alltag geworden.
Beides geschah und geschieht relativ schleichend und beides wurde und wird auch von den damaligen 68ern mit toleriert. Das Potential zur Revolte der Jugend wurde stellenweise mit Hartz IV subventionierten Alkohol- und Drogenkonsum erstickt und mit virtuellen Bildschirmspielen einfach weggeballert. Auch der Sport hat seinen Beitrag zur Domestizierung der Jugend beigetragen. Die strenge Disziplinierung der Körper ging dabei jedoch einher mit Rock n Roll, hedonistischem Terror des einzelnen gegen sich selbst und virtuellen Tötungs- und Terrororgien. Gleichzeitig bringt die Virtualisierung vieler sozialer Beziehungen und deren Augmentierung durch Community Plattformen neue Chancen mit sich.

Angesichts dessen: Wer kann heute noch 1000 junge Menschen oder mehr dazu bringen, sich an einen Ort zu versammeln wenn nicht Stars oder Rockstars? Vielleicht ist es daher gut, wenn auch diese beginnen, politische Meinungen zu haben und politischen Aktivismus zum Teil des Fan Kults erheben, wie es damals seinerzeit auch bei Public Enemy der Fall gewesen ist. Auftritte von Stars bei Game Events gehören inzwischen auch zum guten Ton. Einige Stars haben auch ihr eigenes Spiel herausgebracht. Mal abwarten, wie ein Lady Gaga Spiel aussehen könnte. Ich bin jedenfalls sehr gespannt.

Lady Gaga hin oder her, oder auch Snoop Dog oder Twista oder wer auch immer...meines Erachtens nach sollte man mal darüber nachdenken, in wie fern man die Jugend demokratiefähig ist, wenn sie über viele Sachzusammenhänge, über die es bei Wahlen abzustimmen gilt, keine Ahnung hat. Das ist sicher ein riesiges Problem heute. Sollte man aber nicht im gleichen Zuge diese Frage auch an die Großzahl der Älteren richten, die nicht mal wissen, wie man im Internet surft?

Die politischen Fragen, die die Technologie heute aufwirft lassen sich jedoch nicht länger kaschieren? Stars können dazu beitragen, das Bewusstsein für Technologie innerhalb unserer Gesellschaft zu schärfen - auch wenn das ein wenig so wäre, als würde ein Deus Ex Machina mit dem Publikum über seine eigene Aparate reden... Ein Bewusstseinswandel muss einsetzen und zwar jetzt. Und dies ist ein politisches Statement.

Sonntag, 18. April 2010

35. Iteration




Eine "Technikfolgenkompetenz" sollte eine Medienphilosophie vorausgehen. Doch was nur, wenn diese Erkenntnis sich in unserer Gesellschaft nicht mehrheitlich durchsetzen ließe?

Eine solche Medienphilosophie würde eine Wissen über die Geschichte der technischen Aparate und ihres Funktionierens voraussetzen. So etwas hat man versucht, an der Humboldt Universität zu Berlin zu unterrichten. Jedoch ist dieser Ansatz relativ stark gesellschaftlich marginalisiert worden. Auch die Tatsache, dass man aus mangelnder Technologie Kenntnis heraus eine politische Arbeit immer verantwortungsloser wird, wird bewusst immer wieder mehrheitlich unter den Tisch gekehrt. An wem liegt es, dass nicht mal die Game Studies in Deutschland sich den Fragen der Entwicklung von Spielen in dem Maße widmen, wie es schon vor Jahren von Minoritäten gefordert worden ist?

Heutzutage sollte eine der Grundvoraussetzungen in der Politik sein, dass man eine gewisse Ahnung von Technologie hat. Geld und Wirtschaft sind inzwischen schon längst zu digitalen Datenströmen mutiert. Auch in vielen Bereichen der Wissenschaft wird die zum Einsatz kommende Technologie viel zu wenig hinterfragt. Universitäre Standards wie z.B. Powerpoint beispielsweise in der Germanistik oder in der Kulturwissenschaft können sich an keinen methodologischen Abhandlungen orientieren, da diese in der Reflektionsradius dieser Disziplinen gar nicht innerhalb des Forschungsinteresses angedacht werden. Dazu gibt es nach wie vor kaum Literatur. Liegt das vielleicht daran, dass sich die Kategorien dessen verschieben, was das Leitmedium ist? Medium hin oder her...

Viele Naturwissenschaften sowie insbesondere die Klimaforschung mutieren inzwischen stark zu Anwendungen auf rechenstarken Computern. Die Rundungsfehler im Gleitkommastellenbereich bei sehr komplexen Rechenaufgaben, die die Computer auch heute noch machen, werden hierbei komplett ausgeblendet. Denn ab einem bestimmten Abstraktionsgrad beginnen die Computer zu runden. Durch mittlerweile aufgetretenen Grenzen der Strukturbreite bei der Integration von Transistoren auf Silizium Halbleiter basierte Chips sind weitere Problemzonen innerhalb der Hardware aufgetreten. Denn da Testreihen in dem Maße, wie sie notwendig wären, aufgrund des enorm hohen internationalen Konkurrenzdrucks, kaum nicht durchgeführt werden, so dass mit hundertprozentiger Sicherheit Sicherheitslücken ausgeschlossen werden können, muss davon ausgegangen werden, dass Systempannen wie bei Autokonzern Toyota aufgetreten, sicher keine Einzelfälle bleiben werden. Dies liegt auch daran, dass wir durch die Einhaltung von Gordon Moores Law und einer mangelhaften Auslotung alternativer Architekturen und verfahren zwar die Integrationsdichte kontinuierlich steigern konnten, in vielen Punkten aber Defizite erkennbar geblieben sind. Ein wesentlicher Punkt, um nur einen zu nennen, ist derjenige der Wärmeentwicklung. Dennoch werden mögliche Quanteneffekte bei der Kalkulation von multiplexen Rechenaufgaben mit mehreren Variablen in dynamischen Systemen zumeist als potentielle Fehlerquellen ausgeblendet. Diese Prozesse stellen sicher ein Sondergebiet dar, dass sich iun absehbarer Zukunft nur sehr schwer in den Griff bekommen läßt. Trotz allem sollte es nicht komplett ausgeblendet werden, da man sich ungern Fehler eingesteht. Denn das ist nicht gut fürs Marketing.

Vergleichbare Fehlerquellen, die sich dem Material verdanken, sind aber im vergleich zu fehlerhafter Software eher selten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man aufgrund von internationalen Patentrechten Source Code nur bis zu einem gewissen Maße optimieren kann. Firmen wie Microsoft befinden sich nicht ohne Grund auf dem Weg in die Vergangenheit. Die Welt von Morgen operiert im Netz, was jedoch bei Microsoft noch universell kontrolliert werden konnte, wird im Bereich der offenen Netzwelten schwierig. Daher möchte man wohl auch in Zukunft lieber Gridanwender heranzüchten, denen jegliches Verständnis für Code fehlt. Dadurch wäre dann eine noch stärkere Bevormundung der User als im TV Zeitalter möglich. Aufgrund dieser Tatsache würde es sich lohnen, medienphilosophisches Verstehen von Medien zu fördern, stärker noch als dass jeder unbedingt programmieren lernen sollte. Programmierstrukturelle Überlegungen wie beispielsweise das Verstehen, was eine objektorientierte Programmierung ist, was Multithreading ist, sollte man jedoch schon erkennen und auch verstehen können. Denn das strukturelle Denken der Programmierer ist auch eine kulturelle Errungenschaft und gebar sich nicht aus dem Nichts. Die Wurzeln der Objekt basierte Programmierung finden sich auch in anderen Bereichen. Ray Kurzweil sprach im Zusammenhang mit komplexen Ikonographien auch von Makro Zeichen Blocks. Dies könnten auch als Objekte angesehen werden. Das erinnert zwar ein bisschen an Lego.. aber in diesem Zusammenhang können Programmierer bisweilen auch vom Theater, Film und den darstellenden Künsten lernen. Gerade wenn es darum geht funktionale Strukturmodelle zu entwickeln, mittels derer Ikonographien interaktiv (also gesteuert durch Interrupts) steuerbar werden (vielleicht auch ein bisschen im Sinne der Kybernetik).

Generell denke ich wie Jaron Lanier damals und Lev Manovich, dass es höhere Ebenen der Programmierung geben wird. In wie fern Hollywood mit einigen seiner Filme neue Hochsprachen artikulierbar gemacht hat, sollen diejenigen entscheiden, die in Zukunft mit politischen Entscheidungsprozessen beauftragt sein werden. Und dies in einer Zeit, in der das Wissen der Menschen und die Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen im Vergleich zu heute um ein Vielfaches angesteigen sein wird.

In wie fern sich diese Welt dann eine Medienphilosophie zugelegt haben wird, sei dahin gestellt. Sicher ist, dass man in einer Welt der immer rascheren Systemwechsel durch philosophische Überlegungen neuen Halt gewinnen kann, so dass den Prozessen der Sinnentlehrung und des Opakwerdens des an und für sich Wesenshaften - Walter Benjamin nannte es den Verlust des Auratischen - Aufschub geleistet werden kann.

Meiner Meinung nach sollte bei einer solchen Medienphilosophie das Wohl des Menschen und das Wohl der Gemeinschaft von übergeordneter Wichtigkeit sein. Vielleicht wird in der Zukunft das politische Handeln wieder darin bestehen, diese Begriffe zeitgemäß zu interpretieren und basiert auf einem tieferen Verständnis dessen, was Technik ist und welche Fragen durch ihre gesellschaftliche Implementierung gestellt werden - sei es volksökonomischer, sicherheitstechnischer oder sonst welcher Natur. Jedoch geht der Generationenwechsel in der Politik viel zu langsam von statten. In der Tat werden junge PolitikerInnen heutzutage vielfach von älteren KollegInnen ausgebremst vor allem, wenn sie ein philosophisches Programm zu propagieren suchen. Dies liegt wohl auch an der Überalterung der Gesellschaft.

Wenn aber viele der Alten keine Ahnung von Technologie haben, gibt es nur einen Weg, in dem Zusammenhang für einen Wandel zu sorgen: ein stärkeres Bewusstsein für Technologie innerhalb der s.g. politischen Klasse und innerhalb ihrer Führungskreise von wo aus dann ein selbiges einer breiteren Gesellschaft vermittelt werden könnte. Heute ist es jedoch vielfach der Fall, dass die politische Klasse sich scheinbar gar nicht bewusst ist, wie sehr sie an den aktuellen Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung vorbeischrammt. Sie sollte dazu in der Lage sein, Wesentliches zu verändern und zu erkennen, dass es an der Zeit ist, Platz zu machen für Neue.



Dieser gesellschaftliche Umbruch, der gleichbedeutend ist mit einer Kulturrevolution und einem Verlagerungsprozess dessen, wie man eine politischen Klasse definiert, geht einher mit einer zunehmenden Expansion der Technologien. Die damit aufgeworfenen Kompetenzfragen lassen sich nicht durch weiteres inkompetentes Entscheiden wegdiskutieren. Es gilt, diese Fragen endlich zu stellen und zu fragen, in wie fern die Alterszwiebel nicht eine Gefährdung für die deutsche Gesellschaft darstellt und wie man die Kompetenzträger, die schon vor Jahren das Richtige eingefordert haben, endlich an die Macht bringt und ihnen ermöglicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen, so dass Deutschland innerhalb des europäischen Staatenverbunds auch künftig keine untergeordnete Rolle zu spielen braucht. Denn der Wandel wird nicht allmählich kommen, sondern eruptiv wie ein Vulkanausbruch.

Auch sollten die beiden Lager jung und alt versuchen miteinander in einen fairen Dialog zu treten. Dies ist im Interesse aller Beteiligten.



Demokratie ja, aber was, wenn die Unwissenden in der Mehrzahl sind? Wir brauchen eine Partei wie die Piraten. Die alten Mehrheiten können ja zur Zeit gar nicht von den nachwachsenden, die in meinem Alter sind abgewählt werden, obwohl auf unseren Schultern schon bald die Hoffnung dieser Wirtschaftsregion liegt. Man sollte endlich auf diesen Mißstand der Geburtenschwachenjahrgänge eingehen!

Jedoch sind die Piraten auch zu krass... Kulturflatrate ist ja eine gute Sache. Aber das ist alles noch ein wenig zu wenig durchdacht. Dass man keine Lady Gaga oder auch Twista etc. Videos auf Youtube sehen kann geht auch nicht klar. Da muss sich was ändern. Und am liebsten schon bald. Die Alten haben uns bald komplett im Griff in all ihrer senilen sicher auch gut gemeinten Unwissenheit: (Held hostage wie ihr..)

Mittwoch, 14. April 2010

34. Iteration



In einer Unterhaltung zwischen dem deutschen Dramatiker Heiner Müller und dem Medienphilosophen Alexander Kluge, das von der Cronell Universität und der Uni Bremen im Rahmen einer Konferenz im Jahre 1993, also kurz nach der Wende aufgezeichnet wurde, wird im Zusammenhang mit Tacitus und Seneca ein Satz ausgesprochen, den ich eher Alexander Kluges Denken zuordnen möchte (ich glaube, von ihm stammt auch dieser Satz): "Die Substanz verdrängt die Grammatik." Diesen Satz finde ich für die Bedingungen unserer heutigen Zeit und vor dem Hintergrund von Ausführungen von Denkern, mit deren Thesen ich mich damals im Rahmen meines Studiums befasst habe (also knapp vor 10-15 Jahren) sehr interessant. Ich möchte dies hier kurz ausführen, auch wenn es nun unwillkürlich etwas kryptisch werden wird:

Substanz verdrängt die Grammatik so nachhaltig, dass man dies als Alltagsnormalität übergeht. Die Intuitivität des Technischen wiedersetzt sich der Beschreibung in dem Maße, in dem die User ihre Manuals nicht mehr lesen, die ihrer Vorgängermodelle auch nicht gelesen haben und die ihrer zukünftigen Geräte auch nur in Ausnahmefällen lesen werden

Medienkompetenz ist keine Lesekompetenz von Bedienungsanleitungen sondern eine neue Art von Intuitivität, die sich formal erden lässt. Und nicht jeder dieser Erdungsversuche kann bis zu Claude Shannon zurückreichen, bzw. auf Maschinencodeebene nachvollziehen nach welchen algebraren Schaltungslogiken, die einzelnen Speicherregister ihrer Aparate beschrieben werden. Darin offenbart sich der Widerspruch zur formaljuristischen Prädominanz der vermeintlich mit Gesetzestexten allein geregelten öffentlichen Ordnung in all ihrer Abstraktheit, zu denen inzwischen längst schon die Metatexte des Technischen hinzugesellt haben. Die Frage ist jedoch, wie lange das Juristische noch das Technische regulieren kann bzw, ab wann das Juristische seine formaljuristisch anerkannten technischen Augmentierungen erfahren wird. Welche Rolle rückblickend Heidegger und Wiener in dem Zusammenhang eingenommen haben werden, vermag zum heutigen Zeitpunkt noch keiner zu sagen. Denn die kleinen Monströsitäten des Alltags und die allgemeinen offenkundigen Rückständigkeiten halten uns bis dato zu sehr in Schach. Sie stellen insgesamt als system imanente Widerstände einer derartigen Rationalisierungsüberlegung Iterationen einer allgemeinen und gegenseitigen Approximation dar. Das Formaltechnische ist jedoch immer noch einen Deut abstrakter und akurater als das Formaljuristische. Beide Systeme haben ihre Begriffe und ihre Variabelen definiert. Komandos sind in beiden Systemen ebenso formalisiert. Und dennoch bleibt das Recht dem Technischen überlegen: Denn das Recht muss interpretierbar bleiben. Die Verwaltungsakte einer Verteidigung jedoch könnten schon heute Anwälten und auch Laien wesentlich effektiver zugänglich gemacht werden und auch einer breiteren Öffentlichkeit. Doch wird es dadurch sicher nicht besonders gerechter zugehen. Zusätzlich stellt sich die Frage, in wie fern zukünftig technische Definitionen des Formaljuristischen auch vor Hackerangriffen sicher sein werden und ob dies eher zu einer nachhaltigeren Politisierung der Bevölkerung und einer ansteigenden Demokratisierung Europas großartig auf die Sprünge helfen würde. Eine umgekehrte Juristifizierung des Technischen (was zu einem zunehmenden Bedeutung von Anwälten im gegensatz zu Programmierern und Ingenieuren führen würde) ist eher unwahrscheinlich, da die Sprache der Mathematik erstens universeller ist und dies zweitens auf lange Sicht den Fortschritt behindern würde, der in kapitalistischen Gesellschaften genauso notwendig ist wie in anderen Gesellschaftsformen. Spracherkennungssoftwaretools und Gridtechnologien könnten schon recht bald flüssig antwortende Konversationsanwendungen möglich machen. Mobile Netze würden eine ubiquitäre Verbreitung und Erreichbarkeit garantieren. Weizenbaums Eliza antwortete schon vor Jahrzehnten täuschend echt. Vielleicht liegt dies auch am hohen grad der Automatisierung in vielen zwischenmenschlichen Bereichen des heutigen Lebens. In wie fern sich dieser Prozess regulieren lässt, wird sich sicher innerhalb der nächsten Jahre abzeichnen.
Bis dahin muss jeder für sich entscheiden, ob das Bedienen eines iPads oder Videogames die subversiven Entwicklungen eher beschleunigt oder verlangsamt. Schon Hans Moravec fragte sich vor einigen Jahren, wie lange es dauern werde, bis man Maschinen ein Wesen und einen Geist zuschreiben würde. Vielleicht gilt es bis dahin die letzten Bastionen des Menschlichen zu verteidigen. (Aber ob man deswegen gleich zum Emo werden muss, steht auf einem anderen Blatt geschrieben...) ^^

Das Erfinden neuer Zeichen und Ray Kurzweil nannte es Makrozeichen zur Beschreibung und Steuerung von Komplexitätsvorgängen reicht jedoch in einen anderen Bereich zwischenmenschlicher Intelligenz. Dazu gehören unter anderem auch die Emoticons, deren Effekt die Poeten von früher durch das Aneinanderreihen von Worten zwischen den Zeilen evozierten (und die in der Programmiersprache C ohnehin Standard geworden sind ) ;
Sie sind Ausdruck einer neuen Unmittelbarkeit und sind die Erfindung des Real-Time Zeitalters, das seinerzeit bereits von Computerpionieren wie Douglas Engelbart antizipiert wurden. Vorspiel ist out. Alles muss ad hoc geschehen. Zwischenmenschlichkeit soll reduziert werden. Alles muss funktionieren. Für längere Gespräche bleibt aus zweckrationalen Gründen und dem allgemeinen Stress in der Gesellschaft keine Zeit. Zeitknappheit und Zeitdruck bestimmen unser Leben. Mikro- und Nanosekunden entscheiden über Leben und Tod.

Der Substanz des Inhalts tritt die Substanz der substanzlosen Zeit hinzu, deren Wert aber innerhalb der letzten Jahrzehnte enorm gestiegen zu sein scheint. Die Zeitintervalle, innerhalb derer immer mehr Blackboxen immer mehr parallele Aktionen in Vernetzung tätigen werden immer kürzer. Gerichtsverfahren, die Fälle und Zusammenhänge von vor Jahren behandeln, lassen sich heute schon immer schwieriger effektiv handhaben.
Denn beteiligten Parteien können heute in der Regel auf eine Menge mehr Daten und Dokumente zugreifen, als dies noch vor Jahren der Fall gewesen ist. Gleichzeitig erleben Menschen in kürzeren Abständen innerhalb ihrer erlebnisorientierten Freitzeitgestaltung in der Regel heutzutage mehr als dies noch vor Jahren der Fall war. D.h. die Fähigkeit zur Erinnerung sinkt dadurch parallel ab. Und die Vielzahl der zu verarbeitenden Sinneseindrücke steigt im gleichen Maße an. Und diese Tendenz wird in Zukunft kontinuierlich dazuführen, dass man sich an immer mehr erinnern müsste, es aufgrund der Datenlage auch kann, die Anwälte und die Richter aber immer mehr Zeit benötigen, Entscheidungen zu fällen, die den vielen Einzelheiten der Verfahren wahrheitsgemäß entsprechen.

Die Beweiskraft von digital erzeugten Dokumenten und Daten erhält dabei auch ein neues Gewicht. Vielleicht bringt aber auch jede Technologie-Generation ihre ihr eigene Methoden mit hervor, diese im Sinne einer wie auch immer gearteten manipulativen Absicht zum eigenen Vorteil zu nutzen. Das würde aber auch bedeuten, dass ein höheres Maß Intentionierbarkeit von Beweismitteln und Daten auch ein höheres Maß an Kontrolle und Regulierung mit sich zöge. (Die Adminstration solcher Maßnahmen können dabei ins Orwellsche hineinreichen.)

Dennoch scheint sich das substanziell Subtanzhafte zunehmend der es ordnenden Grammatik oder Ordnungslogik zu entziehen und den Rahmen seinen Rationalisierungsbestrebungen zu sprengen. DNS Tests waren damals beispielsweise noch nicht an der Tagesordnung. Handies ließen sich nicht orten und auch nicht jeder hatte Community Portal Accounts und Emails und generierte Traffic, etc. Das Substanzielle also verändert sich im Bereich des Digitalen qulitativ. Der qualitative Wandel, dem es sich unterwirft, verändert dabei sein Wesen. Und diese neue Wesenshaftigkeit lässt sich in einigen Fällen nur noch unzureichend juristisch beschreiben. Zusätzlich dehnen sich die Kontexte innerhalb einer globalisierten Welt zunehmend aus. Nationalstaatliches Recht bildet zusammen mit förderalen Gesetzeskanen und internationalen Staatenverbundsrechtskonstrukten wie dem EU Recht immer neue Gesetzeslücken aus. Und diese in den Griff zu bekommen, scheint heute genauso schwierig zu sein wie damals. Vielleicht ist es heute sogar etwas schwieriger geworden als damals, als noch nicht alles real-time und vernetzt war. Und dennoch bahnen sich am technischen Horizont neue Szenarien von Komplexitätsmanagement an. Doch sind sie erstrebenswert? Bzw. lassen sie sich im Hinblick auf ein Gesamtsystem überhaupt vermeiden? Welche Auswirkungen werden sie haben? Und wie konnten sie überhaupt emergieren? Und wie lange werden sie sich halten? Und wie wird ihre next gen aussehen?

Obwohl Entertainmentkultur auf vielen Ebenen mit der Bildungsgesellschaft kollidiert und die Kolateralschäden der Volksverdummung die Zahl der Intellektuellen auf wundersame Weise begrenzen hilft, gibt es immer wieder Menschen, die auch heute noch nachdenken wollen. Jedoch kann nurn darüber spekuliert werden, in welcher Form sich dieses Nachdenken dann eines Tages manifestieren wird. Zur Stunde ist die Vermutung der Emergenz einer Substanzhaftigkeit beobachtbar, was die Entwicklung einer neuen human-technischen Grammatik erstrebenswert erscheinen lässt. Ob eine solche Hochsprache sich dann mit den Ideen von Lev Manovich vergleichen lassen wird, wird die Zukunft zeigen. Und am Ende wird man sich dann doch wieder entschleunigen müssen. Nach all diesen Phasen der Dynamisierung.

Lustigerweise hat das Sitzen vor dem Computer etwas sehr Meditatives an sich. Dieses Sitzen markiert einen qualitativer Unterschied, der durch die zunehmende Benutzung von mobilen Endgeräten immer stärker in Frage gestellt wird. Man wird sehen, ob auch gestische Bewegungen und menschliche Sprache in Kombination mit medialen Versatztücken und Kulissen aus dem Internet dem Prozess des Inszenierens am Theaters entsprechen werden und in wie fern sich an dieser Stelle das Wissen der Dramaturgen dann mit dem Wissen der institutionalisierten Philosophen und der Ingenieure und Juristen vereinigen wird, wenn es darum geht zu erkennen, welche Rolle sie alle in Zukunft spielen werden vor dem Hintergrund eines bereits jetzt schon erkennbar werdenden generellen Umbruchs von Kommmunikationsprozessen in einer globalisierten Welt. Vielleicht werden wir dann auch sagen: ich möchte gar nicht mehr wissen, wer ich Deiner Meinung nach bin oder was ich für Dich darstelle. Viel wichtiger für mich ist, dass ich selbst erkenne, wer oder was ich sein will und wie ich dies zum Ausdruck bringe. Am Ende ist alles eine Frage der Inszenierung. Daher können wir möglicherweise alle vom Theater lernen und es wäre am Theater, dies zu erkennen und sich unter Vorgabe dieser Verantwortung neu zu erfinden, in dem es sich auf seine Wurzeln beruft und darin die Konstanten erkennt, die Essenzen, wie in einer Meditation.

33. Iteration



Interessant Heiner Müllers Verständnis der Revolution als Prozess des Zeit Anhaltens, des Verzögerns, des Aufhaltens, des Entschleunigens, wenn die allgemeine Beschleunigung, die ewige Aneinanderreihung von Hypes und radikalen epochalen Umbrüchen einer Ideologie des ständigen Wandels entsprechen, innerhalb derer nichts konstant zu sein scheint, außer dem ewigen Wandel. Der Wandel wird als solches entpuppt als eine konservative Figur des Systemerhaltens. Durch die prinzipielle anhaltend gegebene Möglichkeit des Wandels werden Mißstände auch eher in Kauf genommen. Man betrachtet die Zustände und in dem man die Prozesse der Veränderung aufhält, leistet man aktiv Widerstand gegen ein vorherrschendes System.

Die Revolution als die Ausbremsung einer Bewegung kann im Klassenkampf aber auch als reaktionär angesehen werden und entfaltet im Zusammenhang mit dem Aufstiegswillen von Migranten innerhalb von restriktiven wertkonservativen Gesellschaft zusätzlichen sozialen Sprengstoff. Setzt man sich gegen die Globalisierung und indirekt auch gegen das vorherrschende System zur Wehr zu setzen, in dem man subversiv gegen den Aufstieg von ausländisch aussehenden Mitbürgern wirkt? Obama beantwortet diese Fragen auf eine neuen Stufe des sozialen Fortschritts und dennoch haben diese Texte Müllers dennoch etwas mit mir selbst zu tun. Ich weiss nicht, wie es Euch geht... Sie handeln im Anflug des Pathetisch-Werdens von Individuen, die sich ihrer tragischen Rolle bewusst werden und als Handelnde dem Drama nicht entrinnen können. Handeln sie denn am Ende auch von Müller selbst? Wie können wir die Aktualität seiner Texte denn heute im zunehmend internationalen Kontext neu begreifen? Sie gehen meiner Meinung nach über Shakespeare hinaus und stellen völlig neue Fragen. Fragen, die sich sozialen Wesen in Zeiten des allgemeinen Umbruchs der Werte stellen. Fragen, die sich mit dem sozialen Drama von einzelnen Individuen beschäftigen und dabei das klassische Rollenverständnis der zitierten Figuren transzendieren, es augmentieren, um seine Sedimentierungen deutlich erkennbar werden zu lassen. Im Kaffeesatz zu lesen kann heute auch heissen, nach Shakespeare auch andere Dramatiker zu entdecken. In der jüngeren deutschen Vergangenheit stellt Müller meines Erachtens eine Singularität dar.

Lustigerweise sind seine Texte auch für asiatische Leser heute von Interesse. Sie transzentendieren sich gewissermaßen selbst und sind in den Momenten, in denen sie sich dicht an den sinnlichen Gefühlen der Menschen in Grenzsituationen annähern, in den Bildern, die sie zeichnen aktueller denn je. Und dies trotz allen technischen Fortschritts, der über gewisse Probleme nicht hinweg zu täuschen vermag und gleichzeitig als Refugium und Legitimation eines Systems dient und trotz allem vielfach in seinem unreflektierten Voranpreschen meist mehr Probleme schafft als er zu lösen in der Lage ist. Vielleicht wäre eine philosophisch geleitete Forschung auf dem richtigeren Wege... Sollte man allein aufgrund dieser ungeklärten Fragestellung nicht für einen Moment verharren und innehalten?



Einige Fragen beantwortet eine Arte Dokumentation, die sich mit einem Müller Zitat betitelt "Ich will nicht wissen, wer ich bin". Und dennoch welch Genie und welch bescheidene Ignoranz...

Donnerstag, 8. April 2010

32. Iteration


Nach Monaten der Absenz meldet sich der Geist erneut zu Wort, um Komplexitäten zu beschreiben, die sich ihm zeigen und sich dennoch einer Vermittlung an eine breitere Masse völlig entziehen. Politischer Aktivismus kann heutzutage mit vielen Fachbegriffen pathologisiert werden und dennoch scheint es einen Grund zu sein, warum sich in Deutschland immer mehr Abkömmlinge von Migranten trauen, ihren Mund zu öffnen und die Wahrheit, die sich erkennen in Worte zu kleiden. Vielleicht ergibt sich dieser Blick, diese Wahrnehmung erst durch eine Außenperspektive. Man spricht mit der Perspektive des Außenseienden von Innen heraus. Dies war heute sowohl bei Maybrit Illner als auch bei Samy Deluxe der Fall.

Denn kurz nach dem Facebakers.com bekannt gab, dass es in Afrika (mehr als 10,5 Mio. User) mehr Facebook User gebe als in Deutschland ( ca. 8,8 Mio. User) und dass es global betrachtet fast schon eine halbe Milliarde (421 Mio. User) Menschen seien, fragten sich die ersten Experten, wie lange es denn dauern würde, bis Facebook zum neuen Telefonbuch der Welt avancieren würde. (Die Tatsache, dass ich dies der Öffentlichkeit auf meiner Google Blogspot Website mitteile, die mit Google Bannern bestückt ist, an denen ich keinen einzigen Cent verdiene, ist vielleicht im Meta Kontext eine verblüffende wie auch sich selbst bestätigende gewollte beiläufige Zufälligkeit.)

Diese Neuigkeiten wurden von meinen koreanischen Freunden aus den USA an mich gepostet. Bzw. einem koreanischen Facebook Freund, der für ein japanischen Unternehmen arbeitet und diese Informationen seinerseits von seinem japanischen Vorgesetzten bekommen hatte.

Damit wurde klar, welche gigantische Größe dieser Datengoliath inzwischen angenommen hat. Das Platzen der Dotcom Bubble hat in Wirklichkeit dazu geführt, dass wir für die wichtigen Fragen unserer Zeit nahezu blind geworden zu sein scheinen und Firmen, die sich mit Internet Geschäftsmodellen beschäftigen bis vor kurzem noch relativ unerkannt unter dem Radar der politischen Regulierungsauthoritäten geschwommen sind. Nun versucht der Gesetzgeber zu reagieren. Aber die Strukturen sind längst viel zu unüberschaubar geworden. Das Netz ist zugleich eine Summe von vielen Aktivitäten Einzelner. Einige sind nur einfache User. Andere als solches Funktionäre und die wenigsten entwickeln etwas. Man könnte angesichts der ohnehin schon hinreichenden Komplexitätsexplosion sagen: zum Glück.
Wie dem auch sei, sicher haben z.B. Microsoft und Apple durch die Vereinfachung von einigen Programmier Standards und entsprechenden Tools und Libraries dazu begetragen, dass sich auch der Bereich der Entwicklung stark vereinfacht hat. Aber wie immer bringt jede Vereinfachung auch immer gewisse epigonale Risikofaktoren mit sich, was jeweiligen die Source Codes und die jeweiligen Compilier betrifft.
Dennoch bleibt selbst das Fachchinesisch aufgrund der allgemein angestiegenen Komplexität selbst meist äußerst oberflächlich. Wie also soll man dem heute, da die Fragen der Datensicherheit offen gestellt werden und die kulturellen Unterschiede nicht nur zwischen China und den USA sondern auch zwischen USA und Europa klar zum Vorschein treten lassen.
Man gibt den Amerikanern eine Krankenversicherung, man rüstet atomar ab. Aber zu welchem Preise. Sicher ist einer Administration wie der Obamas, die auch schon im Wahlkampf aktiv das Internet für ihre Politik eingesetzt hat, nicht verborgen geblieben, dass die neuen Supermächte heute längst keine russischen oder chinesischen Namen haben. Zumindest noch nicht. Ihre Namen sind nach wie vor Microsoft, Sun Systems, IBM, Apple aber auch und vor allem Google, Facebook, Youtube, Amazon und ihre Konkurrenten. Dies könnte sich aber auch ändern.
Während die einen Datensicherheit einfordern, stellen die anderen die freie Informationsgesellschaft, die eigentlich eine Erfindung der Hacker gewesen ist, dagegen. Man könnte fast sagen, dass einige der großen Big Player des Internet Geschäfts heute den einstigen Spirit der Hacker für sich adaptiert haben und dadurch gerade im Begriff sind, unsere globale Gesellschaft komplett zu verändern. Wie nachhaltig dieser Veränderungen sein werden, können wir heute wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen.
Sicher ist: vieles von dem, was uns heute als Technologie ins Haus flattert, übersteigt in einem Funktionieren bei weitem unseren Intellekt. Beim Trabbi und bei Käfer konnte man noch sagen, woran es lag, wenn das gute Autochen nicht mehr fuhr. Bei einem neuen Fahrzeug unserer Tage ist dies so gut wie unmöglich geworden.
Uns umgeben also in unserem täglichen Leben lauter s.g. kybernetische Black Boxes, deren Funktionslogiken uns ihrem Wesen nach unbekannt sind. Die Geräte sind heute genauso mysteriös wie für Oswalt Kolle seinerzeit die Frau. Alles ist tragbar. Internet ist wireless. Und wir, die Menschen in der Welt, werden zunehmend kollaterales Beiwerk eines riesigen nach kybernetischen Gesichtspunkten funktionierenden vernetzt organisierten Funktionsganzen.

Die Aussteiger sind einkalkuliert. Gleichzeitig liefern Geschehnisse in Afghanistan und an anderen Orten in der Welt immer neues Material, das getwittert werden kann, das einen kleinen Clip ergibt, neues Futter für das System, das kontinuierlich expandiert.
Seiner konstant ansteigenden Monströsität stehen wir in etwa so ohnmächtig gegenüber wie die KRELLs ihren Erfindungen in Forbidden Planet (Science Fiction Filmerfolg der 50er Jahre des 20. Jhrd.).
Die Zukunft ist also schon heute Realität, jedoch sind ihre Mitteilungskanäle zumeist unreflektiert. Denn die Politiker unserer Tage verharren im Gestus des Ewiggestrigen, dies liegt auch daran, da das Ewiggestrige wie Schloss Schwanstein und Wagner Teil unserer vermeintlichen Identität geblieben ist. Davon gilt es sich vielleicht zu distanzieren. Vielleicht bedarf es einer wirklichen Kulturrevolution in Deutschland. Einem Aufstand der Intellektuellen. Denn es wäre schön, wenn die Leute unter uns, die wirklich etwas zu sagen haben, es auch sagen dürfen, vor allem, wenn es sich philosophisch mit den Fragen unserer Zeit auseinandersetzt.
Vielleicht hat Bundeskanzlerin Merkel ja Recht, wenn sie sich Diskussionen nicht mehr stellt. In einigen Fragen aber werden uns schon bald die Versäumnisse der Vergangenheit einholen, wenn nicht fundamental neu nachgedacht wird. In sofern kann man dem deutschen Rapper Samy Deluxe wirklich beipflichten. Denn es kommt auf eine Perspektivenwechsel an. Deutschland hat sich gewandelt. Oder vielleicht sollte sich Deutschland wandeln. Leute, die zu diesem Wandel beitragen können, sollten stärker gefördert werden. Die Marginalisierungsbestrebungen der Vergangenheit haben de Facto keinem etwas genützt. Sie haben eher dazu beigetragen, die Dinge zu verschlechtern.
Und an dieser Stelle zitere ich nun meine spntanen Eingaben zu Samy Deluxe Sendung im ZDF:

"Dis wo ich herkomm"... Coole Sache: Samy Deluxe macht ne politische Deutschland Tour mit Juliavon Dohnanyi. ZDF und fünf Jugendliche aus ganz Deutschland sind mit dabei. Warum cool? Nun cool aus meiner Sicht. Denn wenn Samy Deluxe von dem "Neuen Deutschland" spricht, meint er Menschen wie mich, die nicht aussehen wie ...Deutsche aber irgendwie auch Deutsche sind."

Nachtrag1:
Nicht alle dieser Talente können/konnten Rapper werden. Nur wenige waren erfolgreich. Viele sind auf der Strecke geblieben. Krasse Schicksale. Teilweise.- Da können schon mal trotz abgeschlossenem Studium und krassem Engagement klitzekleine Benachteiligungen tagesordnungsmäßig normal werden. Überhaupt ein Studium abzuschließen... Aber weinen wir nicht rum... Ist doch alles "süper"... Und was, wenn man dann Deutschland nach dieser Sendung Samy Style kennengelernt hat: Drehen sich die Tische? Oder wandert alles inklusive aller politischer Ideen und all der Ideale von den Runden Tischen direkt auf die Langen Bänke? Man wird sehen. Jedoch cooler Ansatz und krass, dass solche Sendungen heutzutage bewilligt werden. Anscheinend braucht man uns nun doch. Irgendwie.. (Und hey, außerhalb der Großstädte ist immer alles anders. Hand aufs Herz.. Geht mal echt aufs Land... Und trotzdem darf man die Hoffnung nicht verlieren. Minoritäten sind doch eh immer die anderen. Krasse globale Perspektive... Die Zukunft ist halt unregelmäßig verteilt.. Aber: you can´t stop the dunk! )

Nachtrag2:
Webreferenz: http://www.crossover-ev.de

Nachtrag3:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/hauptnavigation/sendung-verpasst

Ich glaube, diese Problematik, Afrob hat dies nochmals etwas anders artikuliert, dass sich eine Gesellschaft nicht nur für eine Integration öffnen müsse, sondern auch Anreize für ein Integrationsbestreben bieten müsse. Um so krasser wird dies alles in Frage gestellt, wenn Migrantenkinder, die stellenweise komplett deutsch in deutschen Familien aufgewachsen sind, trotz bester Voraussetzungen überhaupt keine Chancen zur Integration erhalten. Zum Glück gibt es einige Ausnahmen und Leute, die wirklich erfolgreich geworden sind. Jedoch selten im östlichen Teil von Deutschland und ich rechne Berlin da mal mit dazu.

Wie dem auch sei: vor dem technischen Standards sind wir alle gleich. Sie stellen auch für Außenseiter ähnlich wie damals die Medizin Aufstiegschancen dar. Wer programmieren kann, kann diese Welt im Netz verändern und dafür sorgen, dass sie sich ändert. Diese Ermächtigung stellt ab einem gewissen Grad von Erfolg auch Fragen philosophischer Natur. Sich diesen Fragen zu widmen, war seinerzeit die Aufgabe von Philosophen gewesen. In unserer heutigen Wissenschaftslandschaft sind die Kompetenzen der Philosophen deutlich überschritten, wie es scheint, wenn es sich um die aktuellen Fragen der hypervernetzten globalisierten Real Time Gesellschaft handelt. Dazu haben die antiken Denker nur die eine Seite geliefert. Die von Heidegger konstatierte Dynamisierung des abendländischen Denken unter der direkten Einwirkung der technischen Medien hat sich in unserer heutigen Zeit klar verkompliziert. Man denke nur an all die unterschiedlichen Sprachkontexte der derzeit ans Internet angeschlossenen Kulturen. Sie illustrieren die Schwierigkeit Heideggers Philosophie zu internationalisieren und sie in allen Details auch anderen Kulturen zugänglich zu machen bzw. sie zu erweitern. Gleichzeitig stellt die allgemeine Metaebene allen Programmierens nach wie vor das Englische dar. Denn alle Programmiersprachen weisen anglophone Akronyme auf. Dennoch verweisen diese Sprachen in einem abstrakten unsichtbaren Raum mathematischem Kalküls.
Die determinierbare Lenkbarkeit dieses Diskurses erhält nun in den realen Vorgängen in Krisenregionen wie beispielsweise Afghanistan eine Antithese. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Rationalität und Irrationalität bzw. Emotionalität.
Ein krasses Beispiel hierfür stellen die vor einigen Tagen durchgesickerten Video Files von Wikileaks dar, in denen US Soldaten gezeigt werden, die schwer bewaffnet von einem Helikopter aus arabisch aussehende AFP Journalisten umbringen. Sie waren Migranten. In dem Land fremd, in dem sie als Einheimische ermordet wurden.

Mit welchem Selbstverständnis wurden diese Bilder aber in den deutschen Medien thematisiert? Eloquente ausländisch aussehende Redner können bei Maybrit Illners Talkshow nur darum als Studiogäste zweiten Ranges in Erscheinung treten, da die Machtstrukturen in der deutschen Gesellschaft kaum die Nachfahren ausländischer Migranten in Spitzenpositionen von Politik, Wirtschaft und Medien geschleudert haben. Bundesgesundtheitsminister Rössler mag hierfür ein rühmlicher erster Ausnahme Kandidat sein, vielleicht darin vergleichbar seinem Kollegen bei den oppositionellen Grünen.
Jedoch kann auch keiner behaupten, dass die Aufgabe, die man ihm zukommen lies eine besonders dankbare sei.

Wie dem auch sei. Es gibt ihn. Und es gibt diese Sendung von Samy Deluxe und die Süper Tiger Show etc. Auch haben Fimemacher wie Akin Erfolg.

Aber was ist es denn, was diese neuen Deutschen auszeichnet? Ist es nicht eine Quasi-Befreiung von Vorwürfen, mit denen deutsch aussehende sich immer konfrontiert sehen? Können anders aussehende Menschen nicht auch vermitteln zwischen Kulturen, zwischen Werten, zwischen Welten? Und kann man dann nicht auch schaffen, von den Äußerlichkeiten abzusehen und das Talent der Leute stärker zu fördern, ggf. auch zum eiegen Vorteil? Angesichts der sinkenden Geburtenraten, wie attraktiv ist es denn eigentlich noch, an ewig gestrigen Werten festzuhalten? In wie fern ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen für die deutsche Gesellschaft insgesamt positiv sein wird, wird die Zukunft zeigen. Ich glaube auch, dass sich Deutschland als ein besonderes Land innerhalb der EU vornehmen könnte, ideale Lösungen nicht in für Länder zu finden, in denen man stellenweise vorbildliche Entwicklungshilfe leistet. Eine ähnliche Bemühung könnte inzwischen auch im eigenen Land gebraucht werden. Vielleicht können sogar diejenigen dabei behilflich sein, die bisher noch nicht so stark von den Vorzügen dieser Gesellschaft profitieren konnten.

Jedoch sind Rapper sicher nicht die einzige Gruppe von Aktivisten, die man in diesem Zusammenhang versuchen sollte, stärker zu berücksichtigen. Ich will mich aber auch nicht beklagen.