Mittwoch, 28. Oktober 2009

27. Iteration



Fragen zum derzeitigen Forschungsstand in Sachen Games sind meiner Meinung nach durchaus angebracht, vor allem, wenn darüber debattiert wird, ob man Gewalt verherrlichende Spiele verbieten sollte oder auch nicht. Vielleicht erstmal grundsätzlich: Die Tatsache, wenn man sich für diese Fragestellung generell interessiert, deutet zumindest auf vorhandene Zweifel hin, denn wenn alles klar wäre, würde sich keiner darüber den Kopf zerbrechen.

Ich denke aber, dass man bei diesen Studien meistens von gesunden Menschen ausgeht. Die sind es aber in vielen Fällen nicht, die gewalttätig werden, sondern diejenigen mit psychologischen Prädispositionen. Diese können auch physisch sein. Wie will man also mit absoluter Sicherheit Sonderfälle, die dann gewalttätig werden ausklammern. Vielleicht sollten einige der Präventiv Maßnahmen die härtesten Sonderfälle mitberücksichtigen.

Daher würde es sich lohnen, die Studienergebnisse mit denen von psychisch Behinderten und Abnormen quer zu lesen. Vielleicht sieht man dann ein, welche Gefährdung von Gewalt verherrlichendem Entertainment ausgehen könnte. Oder zumindest für diese Bevölkerungsgruppe. Doch wer die Zahlen der Psychopharmaka einnehmenden Menschen aus den Vereinigten Staaten kennt, möchte sich hierzu kein Urteil erlauben, denn nach wie vor ist das Gebiet der Psychiatrie hart umfochten, wie sich aus den Veröffentlichungen des Weltpsychiatrie Kongresses erkennen lässt:

Abstracts vom WPA 2009 in Florenz: http://www.wpanet.org/
http://www.wpanet.org/publications/publications.shtml
http://www.wpa2009florence.org/generalinfoset.htm

Dass es innerhalb der Psychiatrie Szene auch Meinungsverschiedenheiten gibt und eklatante Irrtümer, lässt sich nicht von der Hand weisen (siehe z.B.:)
http://religo.ch/2008/09/27/wpa-psychiatrie-kongress-lasst-verurteilte-psychiater-als-redner-zu/

und
http://www.comtecmed.com/copsy/2010//

Dennoch sind sich viele Wissenschaftler noch nicht einig, ob diagnostizierte Krankheitssymptome in allen Fällen physiologisch begründet werden können oder aber auch auf ein soziales Umfeld und dadurch ggf. auch darin erlaubten auf Medienkonsum zurückzuführen ist. (vgl. hierzu auch schon Alfred Lorenzer “Über den Gegenstand der Psychoanalyse oder: Sprache und Interaktion”, Surkamp, 1973, S. 50 ff.)




Die Frage also könnte auch lauten, ob angesichts einer solch unsicheren Grundlagenforschungssituation allen Jugendlichen besten Gewissens das Spielen von Gewalt verherrlichende Computer- und Videospiele zum Zeitvertreib empfohlen werden kann. Vor allem da die Dunkelziffer der undiagnostizierten psychisch auffälligen Krankheitsfälle um ein Wesentliches höher liegen dürfte, als die offiziell publizierten Zahlen einem versichern wollen, würde ich als Laie in psychiatrischen Wissensangelegenheiten eher zur Vorsicht raten.

Vielleicht wird der DGPPN Kongress 2009 im November auch zu diesen Fragen Auskunft geben:
http://www.dgppn-kongress.de/
(Hier scheint jedoch der Schwerpunkt woanders gesetzt zu werden.)

Auch die Gruppe von transkulturellen Migranten könnte in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle einnehmen. Daher würde es sich lohnen bei eventuellen Studien auch diese Gruppe in Zukunft stärker mit zu berücksichtigen:
http://www.dgppn.de/de_transkulturelle-psychiatrie_73.html

Und auf einer anderen politischen Ebene hierzu Lösungsansätze im Bezug auf Ausbildung und Integrationsmöglichkeiten zu formulieren und gesellschaftlich wirksam zu implementieren.

“Entertainment” schreibe ich oben, denn ähnlich wie möglicherweise mit Games verhält es sich auch anderen Medien wie auch mit Filmen, in denen “gory content” dargestellt wird und durch die Darstellung Teil des Entertainment Values werden. Jedoch sollte man hierbei vielleicht mitberücksichtigen, dass man in Filmen grafische Gewalt meist viel realistischer darstellen kann. Dennoch sehe ich ein, dass in Kriegszeiten mit einem anderen Maß gemessen wird, als zu Friedenszeiten. Bisweilen wird Frieden auch nur durch kriegerische Auseinandersetzungen, die fernab der eigenen Heimat über Jahre stattfinden und fast täglich Opfer fordern, ermöglicht.

Psychiatrisches Wissen heute ist nach wie vor in vielen Punkten umstritten, eine globale Pharma Industrie nimmt an ihrem Erfolg Anteil, vielleicht auch, weil es Anomalien zu beklagen gibt. Allen Sonderfällen gerecht zu werden, wird schwierig bleiben. An welcher Stelle präventive Maßnahmen greifen sollten auch. Vielleicht sollte man in der Gewaltfrage auch Dr. Matthias Bob das Wort erteilen, der zu diesen Fragen mehr veröffentlicht hat als viele andere. Vielleicht wird er bei dem DIGAREC Kongress nächste Woche in Berlin das Wort ergreifen... Das wäre sicher wünschenswert, auch wenn in Zukunft auch technisches Wissen bei der Analyse von Games erforderlich sein wird. Hierzu könnte die DIGAREC Veranstaltung in Potsdam im deutschsprachigen Raum erste Akzente setzen. Hierzu hatte ich seiner Zeit mit meinen Zeitschriftsaktivitäten bei GAME FACE versucht, an Untersuchungen aus dem Hemholtz Zentrum, einem interdiszipliären Zusammenschluss von Fakultäten der Humboldt Universität zu Berlin, anzuknüpfen. Wenn auch dies auf allgemeinverständliche Art erfolgen sollte, wurde das Magazin kein großer Erfolg und hielt sich nur fünf Jahre am deutschen Zeitschriftenmarkt. Nach dem Verkauf des Magazins habe ich einen etwas ironisch gemeinten Artikel über Hardware Occlusion Culling in den Games Studies geschrieben, der jedoch aufgrund von wissenschaftspolitischen Tänzen marginalisiert wurde. Ich hatte ihn dann im Rahmen einer Bewerbung auch nach Potsdam an Herrn Professor Dr. Dieter Mersch geschickt, der meiner Bewerbung zum wissenschaftlichen Mitarbeiter zwar unbeantwortet ließ nun aber das Hauptthema meiner Untersuchung ironischer Weise um ein Jahr zeitversetzt nun wieder aufgegreift. Auf diese Konferenz in Potsdam bin vor allem ich besonders gespannt, da sich zeigen wird, ob sich die These von der Relevanz der Technik im vielfacettigen, sozialen Evolutionszusammenhang, den wir als Kultur beschreiben, langfristig tragbar bleibt. Denn betrachtet man bei den Filmwissenschaften Kamera Einstellungen, etc., müsste man doch logischerweise analog dazu bei Spielen auch Algorithmen und Software Generationen betrachten in ihrer Abhängigkeit von Hardware Generationen. Auf diesen grundsätzlichen Zusammenhang hatte auch schon Herr Professor Dr. Friedrich Kittler in vielen Schriften hingewiesen, die auch Herr Professor Dr. Mersch udn Dr. Stefan Güntzel kennen, die zu den Machern bei DIGAREC zählen.



Zu der Veranstaltung reisen eine Menge von namenhaften internationalen Akademikern an, so dass zu hoffen ist, dass eine rege Diskussion in Gang kommen wird, und das Konferenz-Highlight dieses Mal nicht wie letztes Mal dem Hinweis von Herrn Michael Liebe entsprechen wird, dass man in Spielen auch Schummeln kann.

Sonntag, 25. Oktober 2009

26. Iteration



Im ZDF Info Kanal gab es neulich einen interessanten Beitrag über Games im Rahmen der Sendung Elektrischer Reporter. Da scheint sich etwas zu tun. Aber alles immer so zynisch! Warum eigentlich? Fachlich scheinen sich die Redakteure auch nicht so besonders gut auszukennen. Denn über "Online Games" außer Counter Strike wurde kaum etwas berichtet... Diesbezüglich scheint es noch einiges an Nachholbedarf zu geben, aber bei Definitionen scheiden sich die Geister. Vieles ist akademisches Neuland. Und überhaupt: Die Diskrepanz aber zwischen bürgerlichem Theoretisieren und trivialen Gezocke ist meiner Meinung kaum noch überbrückbar. Zu groß sind die Unterschiede und die Widerstände gegen eine Zusammenführung dieser Lager allein im theoretischen Diskurs. Und dieser stark reglementierte Diskurs erreicht die Spieler kaum. Es sind die elektronischen Spiele von heute, die beide Gruppen zusammenbringen. Das Theoretisieren von Outsidern über die Szene wird immer etwas argwöhnisch beäugt. Das Misstrauen ist groß gerade im Zusammenhang mit einer doch recht oberflächlich und unter TV Bedingungen ausgetragenen Berichterstattung. In der Hinsicht konnte die erwähnte Sendung trumpfen. Sie ging bei aller Polemik und Stilgerechtheit ihrer betrachterischen Mittel doch nicht dem totalen Klischee auf den Leim. Doch ist dies allein schon progressiv? Oder wird dem Format nicht irgendwann seine Form zum Hinderniss? Wie lange wird es dauern, bis diese "Pioniere" des Fernsehens endlich zum Inventar einer posthumen New Media Hype Berichterstattung zählen werden? Wird durch diese Form das relativ unkoordinierte Sendungsbewusstsein der s.g. E-Sport-Szene ausgenutzt oder sind die Redakteure einer Lobbygruppierung anheim gefallen? Sicher die Zeiten des E-Sport Bundes haben sich gewandelt. Dennoch war es interessant, dass man Malte Behrmann nicht gezeigt hat, sondern nur über den hohen Abstand des Diskurses zum tatsächlichen Geschehen sprach. Handelt es sich bei den Theoretikern der Spiele wirklich nur um Opportunisten? Und sind die Hardcore-Zocker, aus denen E-Sportler werden, in Wirklichkeit nur spielesüchtig? Möglicherweise ist beidem etwas Wahres abzugewinnen. Vielleicht erkennt man im E-Sport auch eines Tages ein gigantisches Marketing Projekt der Hard- und Software produzierender Volksökonomien...

Am Ende sind die Theoretiker der Spiele alle selbst spielesüchtig.. Bei der intellektuellen Suche nach apologetischen Transzendenzen des Trivialen kollidieren kritische Worte mit den Lobbyinteressen ganzer Volksökonomien. In vielen asiatischen Staaten wird die Games Industrie, als welche sie in Ländern wie Korea, China und Singapur angesehen wird, massiv vom Staat mir Geldmitteln gefördert. Dies gibt es in anderen Teilen der Welt nicht. Zwar gibt es in Europa in einzelnen Ländern auch Spiele Förderprogramme, die nicht nur auf Technologie Innovation abzielen, im großen und Ganzen sind die Summen jedoch, die für diesen Bereich ausgegeben werden, kaum mit Fördertöpfen vergleichbar, die es in Asien gibt. Vielleicht hat man hierzulande noch nicht die Bedeutung dieser Art von Medienpolitik erkannt, die ultimativ auch auf strategischen Machtzuwachs und Einflussnahme innerhalb eines immaginären Kampfes der Kulturen spielt. Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene, von denen einige auch schon das vierzigste Lebensjahr erreichen, interessieren sich für diese Art von Entertainment Programmen und verbringen zunehmend mehr Zeit mit diesen Medien. Neue Formen der sozialen Interaktion und des Medienbegrauchs üben sich insbesondere durch das Spielen von Online Spielen bei diesen Zielgruppen ein. Bleiben sie bei einer durchschnittlichen Spielzeit von 50 Stunden pro Konsolenspiel und mindestens 5 Stunden pro Sitzung bei Online Spielen den ihnen während des Spielgeschehens präsentierten Inhalten gegenüber indifferent? Das Ziel der meisten Spiele ist eine hohe User Bindung, die dann bei s.g. Free-to-Play Online Spielen ultimativ auch zum Kauf von virtuellen Items führt. Demnach ist das Hauptziel der Anbieter dieser Spiele finanzieller Natur. Wobei die Idealisten auch immer wieder im Balancieren von Spielspass und finanziellen Aspekten die Hauptaufgabe des Game Designs sehen. In vielen Spielen dreht es sich um ganz existenzielle Fragen. Meistens handeln die Spieler aus einem Zwang heraus. D.h. eine zwanghafte Situation wird innerhalb der rahmenden Bedingungen eines Spiele-Regelwerks innerhalb der Vorgaben gemeistert. Schummeln ist kaum möglich ebenso wenig wie völlig freies Handeln. Die Inhalte der Spiele haben sich in den letzten Jahren bei aller Ausdifferenzierung des Mediums immer stärker in den einzelnen Kategorien angenähert. Kampf-, Sport und Rennspiele existieren neben Geschicklichkeitsspielen und Abendteuern, bei denen Spieler in die Rolle von Charakteren schlüpfen können. Meist sind die Handlungen im Bereich des Fiktiven angesiedelt oder in alternativen Realitäten. Dies könnte sich vielleicht eines Tages wandeln. Viele Game "Experten" reden in dem Zusammenhang auch immer wieder über Lernspiele oder s.g. Serious Games und die großen Hoffnungen für die Zukunft, die sich für sie daran knüpfen. Auch die NATO beginnt sich für Games zu interessieren, die über 60 Frames per Second darstellen können wie Egoshooter nach dem Vorbild von Crysis.

Würden aber Spiele, die über reale Entwicklungshilfe Projekte in Afrika berichten, Süßwasserknappheit oder alternative Energiegewinnung nicht genauso suchtgefährdend sein wie Kampfspiele? Vielleicht haftet dieser Idee die der Tranzendenz des Trivialen an, Reales im Fiktiven zu verhandeln (und nicht nur immer Orks und Elfen im ewigen Widerstreit..) Doch wen würde so etwas überhaupt in seiner Freizeit interssieren? Haben die meisten Menschen von heute nicht schon genug damit zu tun irgendwie in den Zeiten der Krisen klar zu kommen? Wer von uns denkt denn heute überhaupt jeden Tag an den Krieg in Afghanistan oder die zahllosen anderen Konfliktregionen in der Welt? Würde man anhand von Serious Games wirklich etwas verändern können? Oder ist vielmehr die Serious Games Debatte nicht eine verkürzte, die an der falschen Stelle ansetzt? Ist es wirklich so, dass sich so viele Militärs in Amerika für Serious Games interessieren, da eine Vielzahl der Rekruten in den amerikanischen Schulen nicht anständig lesen lernt und dass man daher schon auf alternative Lehrmittel verweisen muss? Zahlen die Amerikaner auch aus kulturellen Gründen einen derart hohen Blutzoll im Asien? Und wie kann man dieser Situation Herr werden?

Vor allem im Hinblick auf relativ ineffiziente Kommunikationsaugmentationstechnologien wie Power Point, riesen Lobbies, die wortlos dahinterstehen und Standardgefechte, die im Zusammenhang mit diesen ausgetragen werden, gewinnen die ebenfalls evolvierende Massive Multiuser Online Technologien im World Wide Web einen zunehmend interessanten Stellenwert.



Im Bezug auf Inhalte ist vielleicht Folgendes zu sagen:
"If the TV series LOST (2004) was inspired by The Beach (2000) and the Crysis (2007/2008/2010) game series by LOST, than Crysis ultimately crossrelates to The Beach, the former novel of 1996. The relation of Crysis and the Half Life2 game series also seems obvious whereas it is arguable whether most of these story-line-driven entities always tend to relate to archetype stories like Homer´s Odyssey (800 B.C.) or Sindbad (15th Century). By any means the audiences seem to understand: paradieses tend to have their downsides. And islands often bear hidden treassures and mysteries."

Denn auch, wenn Crytek technologisch die Nase vorn hat, sagt dies noch lange nichts über die Qualität der Spiele Dramaturgien aus, die einem die einem das technisch determinierte Spieleregelwerk erlaubt. Dies ist bei anderen Medien nicht anders. Zwar räumte der Film Slum Dog Millionär fast alle relevanten Oscars ab - eine technische Innovation konnte er nicht vorweisen. Und wenn Filme dies nicht müssen, um eine Förderung zu erhalten, warum müssen es dann Spiele?

Der Punkt, an dem sich dies ändern wird, ist meines Erachtens nach sicher bald erreicht. Vieles befindet sich im Wandel. Die von Jean Baudrillard schon erkannten Veränderungen stürzen auf uns nieder. Das Virtuelle entfaltet seine Realität. Die Simulationen der Simulation treten auf den Plan, Betrachtungswinkel verschieben sich und damit auch die Referenz-Ebenen. Jedoch sind nicht alle Menschen so einsichtig, wie man es gerne hätte. Viele blockieren die Innovation. Dass es Microsoft dennoch gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit, so erfolgreich zu werden, ist sehr beachtlich. Die Welt ist mit Sicherheit heute eine andere als noch vor 20 Jahren. Sendungen wie die Sendung Neues und Elektronischer Reporter sind sicher erste Indikatoren für einen nachhaltigen Wandel. Wo jedoch finden diese ihr Korrelat bei den Privaten? Auch hier werden sich bald Dinge verschieben. Und dies möglicherweise auch ohne Bildungsauftrag, denn dass die Topmodel Nummer herunter gefahren werden kann und dass Harald Schmidt auch ohne Pocher klar kommt, haben die Zuschauer von den Privaten ja schon lernen dürfen. Und auch wozu man Brausepuler alles nehmen, kann wissen jetzt all jene, die die Blechtromel weder gesehen geschweige denn gelesen haben.

Ich vertrete nach wie vor die klare Auffassung, dass man ohne eine massive Förderung dieses Bereichs Games, diesen Bereich der bildgebenden Verfahren und technologischen Entertainment Programm Produktion wenig erreichen wird. Die Staaten in Europa müssen dringend zum Umdenken bewegt werden. Und dafür müssen unter den herrschenden demokratischen Vorgaben die dafür notwendigen Öffentlichkeiten geschaffen werden. Denn für die Staaten in Europa wäre es äußerst lohnenswert zu erkennen, dass Europa eine politische Region ist, die ihre Einheit auch infrastrukturell erfahren könnte. Und dazu zählt heute nicht nur die Elektrizitätsinfrastruktur oder die der Telekommunikation, sondern auch wegweisende Rahmenrichtlinien für allerlei Unübersichtlichkeiten, die nicht jedem gleich ins Auge springen und dennoch diesen Kulturraum als Marktplatz im Digitalen definieren.

In diesem Zusammenhang könnte man sich an das letzte in deutscher Sprache erschienene Buch von Josef Weizenbaum erinnern: Es heisst: "Inseln der Vernunft im Cyberstrom? Auswege aus der programmierten Gesellschaft." Kann sein, dass wir heute viel tiefer in der Krise stecken, als es uns bewusst ist. Die Grenzen meiner Erfahrungskapazität bleiben in dem Zusammenhang auch die Grenzen meiner Welt und für einige endet der Erfahrungsraum schon im Sprachlichen. Die mediale Form tut ihr Übriges, um einerseits Identifikation zu ermöglichen oder wie im Fall von Elektrischer Reporter die Kluft zwischen denen und uns noch größer zu machen. Eine der Hoffnungen ist, dass es mit der neuen Regierung in Deutschland besser werden wird. Dem Technologie Agnostischen ist mit dem Verweis der SPD in die Requisitenkiste der Geschichte vorerst ein Riegel vorgeschoben worden. Man könnte auch sagen, der Aktivismus wird nun mit Gruppierungen wie PEEIA und PEOGA in die heisse Phase eintreten. Wie erfolgreich dies sein wird, bleibt abzuwarten...

Dienstag, 13. Oktober 2009

25. Iteration


Es gibt von Jean Baudrillard einen Text, der nach seinem Tod in einem von Jérôme Bindé herausgegebenen Sammelband, der 2007 erschienen ist, veröffentlicht wurde. Dieser Text trägt den Titel: "Vom Universellen zum Singulären: die Gewalt des Singulären". Darin widmet Baudrillard seine Aufmerksamkeit den vielschichtigen Umschichtungsprozessen, die die durch eine, wie er es nennt, "Technostruktur" hervorgebrachte Globalisierung begleiten und im Folge derer viele Opfer zu beklagen sein werden. Für ihn stellen die vernetzten Bildschirme eine vierte Dimension dar, die die dreidimensionale Kultur des Raumes und der Nationalstaaten, die Kultur des Realen und der Repräsentation begleiten und stellenweise unterlaufen.

Die virale "Gewalt der Netzwerke" und die "Gewalt der Konsense" untergraben dabei im Zuge einer auf Welt-Kontexte starrenden "kommunikativen Gewalt" mit all ihrer "Gewalt der Transparenz und der Unschädlichkeit" kettenreaktionsartig die nationalen Systeme einer Kultur der universellen Werte. Die Partikularisierung der in Informationscocoons lebenden Menschen, die vom Gestus der Freiheit geleitet immer wieder ihre eigenen vorgefassten Meinungen bestärken, replizieren (vgl. hierzu Infotopia von Cass R. Sunstein) und dennoch meinen gut informiert zu sein, versprüht hierbei den Duft der sanften Gewalt von Auslöschung - Jürgen Habermas würde sagen: den "zwanglosen Zwang des besseren Arguments" -, die die vierte Dimension unserer Kultur angesichts der durch sie ausgelösten zunehmenden Beschleunigung aufoktroiert und die sich nach einiger Zeit selbst ein Ende setzt. Nach der Monopolisierung der Macht in den Händen einer einzigen Supernation, die die Entwicklung der "Technostruktur" begünstigt hat, aber auch am Ende ohnmächtig motivierte, singularitätsähnliche Terror Attentate echohaft hervorrief, offenbart sich das symbolisches Ende dieses Systems in der fehlenden Rückkanalfähigkeit gegenüber den singulären Erscheinungen, die begünstigt durch die Emergenz der vierten Dimension möglicherweise auch in den kommenden Jahren verstärkt zu weiteren Terror Anschlägen führen werden. Die symbolische Vergeltung des Terrors kann durch die Selbsttötung der Attentäter nicht an den Attentätern selbst vollzogen werden und wurde im Fall von 911 nur durch das Infragestellen von nationalen Grenzen anderer Staaten und auch das Infragestellen von Menschenrechten in äußerst fragwürdiger Form realisiert. Dies nagt stark an der Legitimationsgrundlage der Verursacher und der diese Maßnahmen präventiv augmentierenden Akteurnationen.



Mit den World Trade Towers stürzten nicht nur eine Reihe von Gebäuden sondern auch Symbole einer Ideologie ein. Diese Ideologie basierte auf rücksichtslosem Gewinnmaximierungsstreben und war ihrem Wesen nach unmenschlich. Die Antwort darauf waren ein "terroristischer Situationstransfer." Oder wie Baudrillard es ausdrückt: "Terror gegen den Terror: der Terrorismus gegen den Terror des Systems."

Baudrillard schreibt: "Heute dient jede Form der traditionellen Gewalt der Regeneration des Systems, vorausgesetzt, sie hat einen Sinn. Die einzige wirkliche Bedrohung des Systems liegt in der symbolischen Gewalt, die keinen Sinn hat und die keinerlei ideologische Alternative in sich trägt." Das, was Sarrazin als "herauswachsen" bezeichnet, ist meiner Meinung nach vor dem Hintergund eines äußerst subtilen Common Sense jenseits der Sprachfähigkeit - einer Ebene, auf der vor allem nach humanistischem Vorbild alle Menschen gleich sind - symbolischer Sprengstoff, aus dem sozialer werden kann.




Gebirt 911 den Tod einer besonderen Form der auf Ausbeutung abzielenden Kultur, der die Finanzkrise folgte und damit ein Quasi-Zusammensturz der Weltwirtschaft, kaschierte sie dennoch die Enron Pleite und möglicherweise auch die etwas unwahrscheinlichere noch bevorstehende von Monsanto. Ein vergleichbares 911 haben wir in Deutschland noch nicht erlebt. Aber vielleicht begünstigen derartig laxe Aussagen Sarrazins die Emergenz einer solchen Singularität. Die symbolische Entmachtung Sarrazins ist auf dieser Betrachtungsebene nur konsequent, um für alle Beteiligten weiteres Leid abzuwenden. Dass dennoch etwas geschehen sollte, ist unumstritten. Die Frage ist nur, in wie fern die Tage Deutschlands auch von Fragen der Technologie Entwicklung abhängen und in wie fern durch entsprechende Ausbildungsangebote Alternativen geschaffen werden können. Wahrscheinlich sind durch ziemlich dubiose nicht unumstrittene Finanzkrisenbekämpfungsmaßnahmen wie die Abwrackprämie die Mittel für Investitionen in eine mediengestützte Ausbildungsinfrastruktur auf neusten technischen Stand bereits von der SPD während ihrer letzten Legislaturperiode ausgegeben worden. Und möglicherweise rächt sich das nun auch wieder an der SPD, der Sarrazin immer noch angehört, die ihn nach wie vor noch nicht ausgeschlossen hat.




Und selbst, wenn die Masse der Bevölkerung seinen blinden und ungeschickten Tatsachenauflistungen heute, da die Wahl verloren ist, befürwortend begegnen sollte, könnte die Scham, die ich für seine Inkompetenz verspüre, selbst durch seinen Rücktritt nicht rückwirkend in Stolz verwandelt werden. Vielleicht muss man sagen: ich schäme mich, Deutscher zu sein, solange Leute wie Sarrazin öffentliche Ämter innehaben, die nichts mit der Pflege von Stammtischen zu tun haben und die mit ihren singulären Ausbrüchen unser ganzes System zu gefährden drohen. Dennoch ist es sehr zu begrüßen, dass man in Deutschland im Rahmen einer äußerst ausdifferenzierten Streitkultur seiner Meinung Luft machen und auf Misstände hinweisen kann. Jedoch behebt das symbolische Opfer Sarrazins nicht das Problem. Es bleibt also zu hoffen, dass sein Opfer eine Diskussion in Gang bringen wird, an deren Ende für alle Beteiligten echte Lösungsansätze zu erkennen sein werden.

Samstag, 10. Oktober 2009

24. Iteration



Vielleicht an dieser Stelle ein Rat an alle, die fragen, wie man einen guten Artikel über Computer- oder Videospiele schreibt: Achtet auch auf die Perspektive der Entwicklung dieser Spiele!

Lasst mich, um dies zu erklären, etwas ausholen: Beim Film hat es bis zum Aufkommen der massenhaften Verbreitung von Videorecordern gebraucht, bis man Filme auch von der Macherseite her betrachtet hat, d.h. bis über einzelne Einstellungen im Film und Regiearbeit hinter den Kulissen berichtet wurde. Bei Spielen ist dies heute noch nicht der Fall. Die meisten gehen immer nur vom Spiel aus also vom Entertainment Produkt. Sicher wird auch noch einige Zeit vergehen, bis man regelmäßig so wie über Theater und Film etwas über elektronische Spiele im Feuilleton lesen können wird.

Insgesamt aber lässt sich auch folgender Trend erkennen: Sämtliche Berichterstattungen haben sich vereinfacht, damit sie für ein Massenpublikum rezipierbar werden. Dabei vertieft sich kontinuierlich die Kluft zwischen Wissenschaft und der Trivialkultur. Denn für jegliche Medienberichterstattung gilt heute, dass sich die Betrachtungen im einzelnen sehr stark vereinfacht haben. Im Zeitalter von Internet scheint keiner mehr anspruchsvolle Texte mehr lesen zu wollen. Möglicherweise reflektiert sich unsere Kultur auch im Feuilleton. Wenn dort aber keine Tiefe mehr möglich ist, wo sonst? Bleibt bei Ausklammerung der technischen Perspektiven bei Computerspielen im Feuilleton nicht ein Teil unser Kultur auf der Strecke? (Oder ist es eher bedenklich, wenn ich hier von UNSERER Kultur spreche, in einer Zeit, in der sich die Öffentlichkeiten immer stärker zu zerstückeln scheinen?)

Wie dem auch sei, ich denke: Ähnlich wie in der Psychologie (die man bei der Entwickler Perspektive rückwirkend auch auf die Macher von Spielen beziehen kann) wird, vom Resultat also vom Spiel her ausgehend, eine Kopplung materieller Grundlagen (Hardware/neuronale Physiologie) mit systemischen Prozesslogiken des Funktionierens (Algorithmen/ neuronale, biochemisch, elektromagnetistische Prozesse) parallel und im relativen Zusammenwirken miteinander betrachtet. Ideal ist aber nach wie vor, wie Marshall Mc Luhan behauptet hat, wenn sich das Mediale am Medialen (also auch und vor allem das Technische) camoufliert, um Entertainment zu bleiben.



Die Ergebnisse auf dieser Oberflächenwirkung abzielenden Entertainment Produkte werden als technische Produkte von Standardisierungsprozessen erlebbar und erfahrbar, und verweisen dabei immer auch auf eine technologische Tiefenstruktur in all ihren historisierbaren Standardgefechten, die nach ökonomischen wie auch technologischen Vorgaben, das Wesen der Spiele von Innen her mitbestimmen. Zur Zeit ist es also so, als habe sich die Öffentlichkeit einschließlich vieler Wissenschafter, die zur Zeit versuchen, deskriptive Ansätze zu formulieren, die den empirischen Teil der Spiele betreffen, komplett auf die Wirkungsforschung dieser Spiele beschränkt. Wenige sind gewillt oder in der Lage, diesen Betrachten auch das Technische hinzuzuaddieren. So, als habe man sich in der Wissenschaft wie auch im Feuilleton einen Hardware Occlusion Culling Algorithmus verordnet, sind die meisten Outputs der s.g. Game Studies heute in vielen Punkten Technologie agnostisch.

Kleine Vorstöße werden immer wieder glatt gebügelt. Autoren, die versuchen das zu ändern, werden plump als Technokraten verschrien, so als habe Max Bense nie gelebt. Auch der Verdacht eines Kybernetik Faschismus wird an einen herangetragen, wenn man versucht, den Kultur Begriff nicht nur sozial sondern auch technisch zu definieren. Daher kann man jungen Autoren eigentlich eigentlich nur raten: produziert mediokren Output, den jeder verstehen kann! Nicht zu abgehoben, nicht zu viele Details und denkt daran, dass das, was Ihr schreibt, für manche Menschen ein Kommentar zu ihrer teilweise recht einsamen Lebensrealität wird, die von Gruppenzwängen und kleineren Machtkämpfen mit geprägt ist.

Games sind immer auch eine Art Refugium gewesen. Wenn Sie es nicht mehr sein können, werden sie immer stärker zu einer Öffentlichkeit, wie dies bei Online Spielen der Fall ist. Anbetracht dieses Wandels, innerhalb dessen Spiele von breiteren Öffentlichkeiten genutzt werden und für immer mehr Menschen zu Erlebniswelten mutieren, die von Millionen von Menschen zeitgleich erkundet werden, besinnen sich eine Handvoll von Autoren auf die kontemplativen Restwerte dieser Entwicklung. Dabei ist die Hoffnung vielleicht nicht unbegründet, dass dabei die Entwickler Perspektive stärker in den Fokus rückt, um Spiele in ihrer technischen Gemachtheit zu erkennen vor dem Hintergrund einer jeweils anderen sozialen Realität. Die Spiele verweisen dabei immer auch auf vorherrschende Technologiestandards einer stets sich weiterentwickelnden Entertainment Generation. Man sollte dabei lernen, die Spiele nicht nur Game spezifisch sondern immer im Zusammenhang mit anderen Spielen zu diskutieren, zu erörtern und zu problematisieren, denn sie greifen vielfach auf dieselben proprietären Betriebsysteme und damit auch auf die gleichen Middleware- und Hardware Grundlagen zurück und dies bestimmt ihre Metastruktur. Dass dies gemacht wird, also die technische der inhaltlichen Perspektive hinzuaddiert wird, ist heute nicht selbst verständlich der Fall. Wobei dies der Betrachtung sicher nicht abkömmlich wäre auch im Sinne einer Emanzipation der User.



Die längst zum konservativen Wert erstarrte kontinuierliche Evolution argumentiert jedoch, von Marketing Departments beflügelt, stets in Superlativen und büßt dadurch nach und nach seine Glaubhaftigkeit ein. Nicht jeder User möchte mehr an das Ultimative glauben. Denn während Shakespeare´s Lebensweisheiten uns heute noch erreichen, tun dies die Outputs einer technisch geprägten Entertainment Kultur von gestern heute schon lange nicht mehr. D.h. die Halbwertzeiten von Entertainment Produkten verringern sich kontinuierlich. Vielleicht auch, da die Messlatte hier vielfach nicht hoch genug gesteckt zu sein scheint. Da jedoch der redaktionelle Inhalt in einer kommerziellen Welt auch immer an die Schaltung von Anzeigen gekoppelt ist, gerade, wenn man nicht Auflagenstärken oder Nutzerzahlen vorweisen kann, wie es die klassischen Print Titel beispielsweise der Springer Gruppe vermögen, sind diese Berichte meist eher an Zugeständnissen interessiert als irgendwie auch nur entfernt so bissig zu sein, wie sie sein können. Denn welcher Redakteur wäre schon in der Lage, die Gadget Verliebtheit der Wii User als ulkig und äußerst kurzweilig darzustellen und zwar innerhalb einer Phase von verstärkten Marketing Aktivitäten im Sinne einer unbestechbaren don´t believe the hype Mentalität? Büßen die Medien nicht angesichts solcher Quasi- pekuniärer Gleichschaltungsmechanismen einiges an Glaubhaftigkeit ein? Können wir als Redakteure und Autoren angesichts solcher Mechanismen Qualität überhaupt noch erkennen? Und wie relativ ist das alles überhaupt? Sollten Magazin Cover generell käuflich zu erwerben sein, wie dies beispielsweise beim vielgelobten Edge Magazin der Fall ist? Sicher ist die Edge hat Akzente gesetzt. Auch die französische "Amusement" scheint in die Fußstapfen der GAME FACE getreten zu sein. Und logischerweise haben auch die Gamestar und die PC Games haben einiges bewirkt. Dennoch ist auch vieles auf der Strecke geblieben. Viele Redakteure werden zähneknirschend zur Halbwahrheit verdammt und kassieren dafür regelmäßig ihr Schweigegeld.



Dennoch sollte man im Rahmen dieser Diskussion nicht vergessen, dass die Firma Valve nach wie vor eine der besten Spiele Firmen ist, die mit ihrer Half Life Serie immer auch die Open Source Entwicklung mit gefördert hat. Auch inhaltlich merkt man diesen Spielen eine gewisse Detailverliebtheit an. Beides ist bei vielen kommerziellen Entwicklern einfach nicht der Fall. In sofern befindet sich ein Großteil der Games Entwickler, nicht nur in Deutschland sondern überall in der Welt in einer Lobby für Microsoft. Viele merken es nicht einmal. Und selbst wenn man dies zur Sprache bringt, wie es beispielsweise damals in unseren GAME FACE Magazinen gemacht wurde, ändert sich in der Regel heftig wenig. Standards beflügeln das Geschäft. Davon kann die Stromindustrie auch ein Lied singen. Und wer würde im Zusammenhang mit Spielen schon auf Green IT und effizientes Stromverbrauchsverhalten hinweisen?

Die großen Medien sind in vielen Fällen an leicht verdaulichen Meinungen interessiert. Das erstaunlich Mediokre regiert. Denn alles muss leicht verständlich sein. Dennoch bildet das Spielen von einigen Spielen seine Spieler als Experten für diese Spiele aus. Sie betreten beim Spielen eine alternative Realität. Und die Realität dieser virtuellen Erfahrungswelten spiegelt in vielen Fällen auch das surreal Kunsthafte wieder. Gleichzeitig findet es auf der Grundlage real existierender technologischer Standards statt, die wiederum immer innerhalb von sozialen Kontexten eingebettet ihre User erreichen. Der den Spielern attestierte Realitätsverlust reflektiert sich gleichermaßen in der Realpolitik:

Dies reflektieren unter anderem Thilo Sarrazin Äußerungen aus einer Zukunftsperspektive.

Mit freundlichen Grüßen aus Neukölln, einem Ort, an dem Games sich gerade unter ausländischen Jugendlichen einer unglaublich starken Beliebtheit erfreuen.