Mittwoch, 9. Dezember 2009

29. Iteration



Zur Weihnachtszeit reifen bisweilen Gedanken, die ein ganzes Jahr vor sich hindümpeln und einem immer wieder von Zeit zu Zeit kontemplative Momente bescheren. Sie tauchen auf, ergreifen einen und lassen einen bisweilen nicht zur Ruhe kommen, bis man sich ihnen einmal gesondert widmet und sie aufschreibt. Damals hieß es, wer schreibt der bleibt. Im emphemeren Geschehen der Netze bleibt das Geschrieben Schaltzustand von elektrischen Apparaten, deren Halbwertzeit zwischen 10 und 50 Jahren fluktuiert. Das Geschriebene wird zur Chimäre des Geschriebenen. Ein flüchtiger Abdruck auf dem virtuellen Pergament der Einsen und Nullen. Googelte man vor einem Jahr noch nach "GAME FACE" fand man eine Reihe von Einträgen, unter denen auch ich zu finden war. Vor zwei Jahren, eine Website der deutschen Spiele Entwickler Community, ein ungeliebtes Stiefkind wohl gemerkt, das sich dem entwickler Geschehen mit einem akademisch geschulten internationalen Blick näherte und versuchte im Treiben der Entwickler Kulturgeschehen zu vermuten. Dies ist nun alles Geschichte. Im Netz aber findet man davon heute nichts.



Eine Firma kaufte mir die Rechte an GAME FACE ab. Diese Firma arbeitet mit EA zusammen. Googlet man heute nach GAME FACE findet man eine Website von EA, bei der man seinen Spiele Avataren in EA Sport Games sein Gesicht verleihen kann. Angefangen hatte damals alles mit Tiger Woods. Heute ist dieser Service ein Standard auf Paystation 3 und Xbox360. Das Magazin ist bis auf wenige Webeinträge, die zum einen kritisch und zum anderen sympathisierend das Verschwinden von GAME FACE belleuchte, verschwunden und damit im Netz der allgemeinen Vergessenheit preisgegeben. Die Strapazen wären umsonst gewesen, wenn es nicht ein analoges Back-Up gäbe und auch ein digitales sicher irgendwo dort draußen. Das Analoge verwalten Archivare in Berlin, Leipzig und Stanford. Überall dort, wo GAME FACE archiviert wird. Das Netz verschafft Minoritäten Gehör, wie es sie verstummen lässt. GAME FACE wird zur Zeit eher totgeschwiegen, als dass man sich darauf beruft. Vielleicht liegt das auch daran, dass GAME FACE ein unbequemes Magazin war und nicht nur das, es war politisch.



Einigen Gelehrten war das Verschwinden von GAME FACE am Ende dann auch ganz Recht. Sie wollten die von mir ins Leben gerufene Debatte um die Entwicklerperspektive im akademischen Diskurs lieber vorerst unter den Tisch kehren. Bezüge zu Kittlers Medientheorie wurden ridikulisiert. Vielleicht lag darin auch ein dramaturgisches Moment eines heldenhaften Strebens verborgen. Ein Streben hin zu einem Scheitern? Wir wollten weniger Shooter Games im War Against Terror und mehr interessante Games aus Deutschland, die der kulturellen Diversifiziertheit des Abendlandes gerecht werden und etwas entstehen lassen wie wahre Klassiker nach Half-Life2. (Letzteres war zugegebenerweise ein Shooter Game). Heute sitzt einer von unser Lobbygruppe von damals im Kulturrat. Also ganz zum Scheitern waren unsere Bestrebungen nicht.
Aber wie dem auch sei. Das ist alles Ansichtssache. Scheitern oder nicht. Ich werde nun Vater. Damals war ich immer nur der Vater von einer geistigen Hinterlassenschaft, die gebannt auf den Langzeitspeicher Papier auch noch in hunderten von Jahren angesehen werden kann. Nun aber werde ich Vater eines Kindes, das in der Lage sein wird, meine Forschung fortzuführen, sofern es darin einen Notwendigkeit sehen sollte.



Die Politisierung dieses Vorhabens, der Ausbruch aus einer Gesellschaft bleibt bestehen. Ein Ausbruch aus einer Gesellschaft, die versucht ist -so fühlt es sich bisweilen an- Menschen wie mich zu marginalisieren, d.h. an den Rand zu drängen, ihnen keine Anerkennung für ihre Leistungen zu zuerkennen, ihnen Wege zu verbauen und sie gleichzeitig dabei und aufgrund dessen zu ridikulisieren. Jetzt, wo ich Vater werde, will ich mich aber nicht beklagen.



Und ich bin mir der Tatsache bewußt, dass meine Story, angefangen von den Verstrickungen meines Studium, meinem Kunstprojekt suct, den Irrungen und Wirrungen im diplomatischen Dienst, meinem Überleben als Herausgeber und Chefredakteur der GAME FACE und meine sehr zäh anlaufenden politischen Bestrebungen, durch Verbandsarbeit den europäischen Markt für Online Games erschließen zu helfen und was da noch alles kommen mag, sicher eine gute, stellenweise aufregende, lustige und mit Sicherheit abwechslungsreiche Story sein wird. Eine Story, in der neben einem Battaillon von verflossenen Liebschaften Bekanntschaften aus dem Berliner, Londonner und Pariser Nachtleben auch Akteure wie die Yerli Brüder, ein gewisser Karlheinz Möschke, Malte Behrmann, Thomas Dlugaiczyk, Michele Pes, Olaf Wolters, Johannes Ulbricht, Carsten van Husen und viele andere mehr auftauchen werden. Dieses Buch aber lässt auf sich warten.



Denn zur Zeit arbeite ich an einem anderen Filmprojekt. Das Drehbuch umfasst schon über 150 Seiten. Wir werden es durch eine neu gegründete Filmproduktionsfirma auf der 60.Berlinale im Jahr 2010 vermarkten. Auf einem eigenen Messestand. Diese Story spielt, ähnlich wie meine eigene, zwischen zwei Nationen: Deutschland und Korea. Oder um genau zu sein, zwischen Menschen aus Seoul und Berlin. Sie ist fiktional. Eine Lovestory zwischen den Kulturen in beiden Ländern. Ich halte diese dramatische Konstellation vor allem im Hinblick auf neuere Hollywood Produktionen wie - Die 13 Huren von Nanjin - für sehr erfolgsversprechend. Ob es von solchen Stoffen, die zwischen Asien und Europa spielen, wie es unter anderem auch schon der James Bond Film "Stirb an einem anderen Tag" vorgemacht hat, mehr Filme geben wird, wird die Zukunft zeigen. Und die Zukunft zu beschreiben, war auch bei GAME FACE immer mein Ziel gewesen. Die Zukunft, die ungleichmäßig verteilt in unserer Gesellschaft vorliegt, aber durchaus schon gegebene Tatsache ist. Dieser Zukunft im Technischen tritt nun auch für mich empirisch nachvollziehbar eine sehr weltliche haptische Zukunft hinzu.- Dabei meine ich die Zukunft, die im Nachwuchs verborgen liegt und mit ihm heranreift, um nicht bloße Einbildung oder Idee zu bleiben. Ein politische Wille bahnt sich seinen Weg. Das überwindbar Geglaubte bäumt sich auf und bringt im einigen Widerstand entgegen. Völlig unerwartet, ist meine Frau deutscher Abstammung. Und absolvierte Germanistin von der Freien Uni Berlin. Und ich dachte immer, ich würde eines Tages eine Ausländerin heiraten.



Wie dem auch sei. Meine Widersacher wird dieser Umstand sicher nicht daran hindern, ihre Schmähkapmagnen fortzuführen, wie dieser Umstand sicher meinen Sympathisanten hoffentlich neuen Wind in ihre Segel geben wird. Ich kann nur allen sagen: das Fiese wird mit Sicherheit nicht aussterben, ähnlich wie das Gute auch seine Nachkommen haben muss, um das Fiese erkenntlich zu machen.



Die Hoffnung stirb zuletzt und bahnt sich ihren Weg. Die Kraft der Freude treibt die Zeilen aus mir hervor. Ich beginne mich nun in einem anderen Licht mitzuteilen, nicht mehr allein beseelt von meinem nicht zu bändigendem Kampfeswillen und meinem Bestreben ein gleiches Recht für alle durchzusetzen, koste es, was es wolle; meinem Willen, als Bürger dieses Landes ernst genommen zu werden, meinem Willen, Chancengleicheit auch für mich und Menschen wie mich zu erreichen, zu erkämpfen, meinem Willen zum Überleben, dem so viele Steine in den Weg zu legen sich nicht gescheut haben und dies bei dieser doch recht fragwürdigen deutschen Vergangenheit.



Ich erinnere mich noch, wie ich aus Hamburg als relativ guter Abiturient nach Ost-Berlin an die Humboldt Universität kam und mir dort ein Professer mit einem Doppelnamen als Nachnamen im Fachbereich Theater allen Erstes nahezulegen versucht, doch etwas handwerkliches zu machen, wie etwa eine Ausbildung zum Tischler. Vielleicht hätte ich ihm angesichts all der erlittenen Strapzen damals Recht geben sollen. Und vielleicht hätte ich heute mehr Geld und in einigen Kreisen vielleicht auch mehr Ansehen, wäre ich seinem Rat gefolgt. Aber ich habe meinen Kopf gegen seinen durchgesetzt. Am Ende ging es mir nur noch ums Prinzip. Und als ehemaliger Thaiboxer kann man vielleicht auch gar nicht anders. Auch wenn ich mich heute von der Gewalt distanziere, denke ich wohl immer noch wie ein Boxer.



Mein Onkel war damals koreanischer Meister im Boxen im Mittelgewicht. Vielleicht liegt es also auch in der Familie. Wer weiss, wie der Nachwuchs über solcherlei Dinge denken wird. Immerhin ist seine Mutter eine Yoga Lehrerin.



Durch sie habe ich eine Menge hinzugelernt. Wenn auch der Kampfeswille noch nicht gebrochen ist, angesichts all der Rückschläge und Ungerechtigkeiten, die mir widerfahren sind, bin ich doch sehr erschöpft gewesen, als ich ihr zum ersten Mal begegnet bin. Mein Kampfeswille ist für mich gleichbedeutend mit meinem Überlebenswillen. Und wer kämpft, muss auch lernen mit dem, was der Gegner austeilt, mitzugehen.



Und wer wie ich als eine Mischung zweier Genpoole den größten Teil seines Lebens innerhalb einer Gesellschaft verbracht hat, in der er aufgrund eines anderen Aussehens und diversen Unsicherheiten und anderen Umständen, die sich daraus ergeben mögen, marginalisiert wurde und in der man ihn von vielen Vorzügen ausschloss, wird vielleicht denken, dass ich immer recht gehandelt habe. Für andere mag mein Vorgehen völlig ververständlich und vielleicht sogar bedrohlich erscheinen. Ich für meinen Teil habe auch gelernt, dass man bisweilen lernen muss, gehen zu lassen. Auch wenn etwas vermeintlich schief zu gehen droht, lohnt es sich bisweilen nicht einzugreifen. Manche Dinge müssen schiefgehen, damit man aus den Fehlern lernt. Wenn man bedenkt, dass einige Leute enorm viel Geld in ihre Ausbildung investiert haben und ihr Handeln auch einem Umfeld und einer vermeindlichen Identität des selbstähnlichen Handelns in kommunikativer wie auch aktiver Hinsicht Rechnung trägt, erkennt, dass einige Menschen schon aufgrund ihres Rollenverständnisses gar nicht anders handeln können, als sie es tun. Sie folgen einem unsichtbaren Zwang und lassen sich vom Habermaschen zwanghaften Zwang der besseren Argumente nur beeinflussen, wenn sie es im Nachinein am Ende so aussehen lassen können, als seien sie die Urheber aller Ideen gewesen. Ähnlich wie bei einigen meiner damaligen Mitarbeiter. Aber weichen wir von dem eigentlichen Argument nicht ab. Man sieht, dass etwas schief geht und man weiss dass es schief gehen wird. Man kann aber aufgrund seiner jeweils handlungsspezifischen Rollenimmanenz nicht anders handeln, als man es tut. Da man aber das Problem erkannt hat, kann man während alles schief zu gehen droht, versuchen, einen Plan B aus dem Hut zu zaubern. Gelingt dies nicht, so hat man sich wenigstens nicht die blöße gegeben, dem Rat eines anderen zu folgen. Angesichts solcher Strukturen, die im Denken vieler Menschen fest verankert sind, spielt die Philosophie und das logische Argument keine Violine. Daher kann ein Eingriff mit enorm hoher Energie Aufwendung verbunden sein, ohne wirklich effektiv zu sein. Man sollte daher vielleicht eher versuchen, wenn man trotz solcher Vorgaben nicht tatenlos zusehen möchte, sich wie beim Win Tsun Kung-Fu der Kraft seiner Gegner anzugleichen bzw. mit ihrer Kraft ihre eigene auf einen projizierte Kraft auf diese selbst wieder zu richten. Bisweilen ist dies auch gar nicht nötig. Denn in der Ruhe liegt einen enorme Kraft verborgen, die im vermeintlichem Nichtstun mehr hervorbringt als blinder Aktionismus. Vielleicht sollte diese Art von Geisteshaltung einem auch im Zusammenhang mit Kopenhagen zu denken geben. Immerhin waren an den Diskussionen eine Menge Asiaten beteiligt, denen das eben Ausgeführte nicht sehr fremd erscheinen mag. Leider weist eine solche Geisteshaltung auch indirekte Parallelen zum Neokonservativismus auf. Die Mächtigen wollen mächtig bleiben und keinen Finger breit von ihrer Macht abgeben. Sie unterdrücken ganze Volksgruppen damit alles beim alten bleibt. Lustigerweise haben meine Vorfahren das in Korea damals genauso gemacht. Kein Wunder also, dass mir selbst auch ein solches nun widerfahren ist, wenn auch ein Ende absehbar ist. Ich hoffe nur, das ich nicht eines Tages von ähnlichen Konflikten heimgesucht werde, wenn es mir einges Tages viel besser gehen sollte als heute. Und ich hoffe auch, dass ich immer in der Lage sein werde, die Balance zu halten zwischen divergierenden Kräften. Denn die Balance ist das, worauf es ankommt. Und die einfachste Balance ist die der unabänderlichen Starrheit. Jedoch beginnt sie bisweilen aus dem dem Gleichgewicht zu kommen, wenn ein Windchen geht. Und im Moment des Falles kann man sich dann entscheiden, zu fallen oder zu tanzen. Und wie das dann bei tanzen immer so ist, es gibt Menschen, die den einen Tanzstil einem anderen vorziehen und viele Menschen tanzen völlig ohne Stil. Selbst bei letzteren kann dies immer noch ästhetisch aussehen. Doch ohne Takt und Rhythmusgefühl ist wirklich aller Hopfen und Malz verloren.



Zum Glück gibt es immer wieder gute Menschen, die den Willen zum Guten in einem und auch in anderen erkennen und einem dabei helfen, an seinem Willen festzuhalten, da sie erkennen, dass ich auch ihnen auf vielen anderen Ebenen behilflich sein kann. Jeodch ist einigen alles, was mein Überleben sichert, ein Dorn im Auge. Aber einen Blinden stört ein Dorn im Auge nur, wenn er ihm Schmerzen bereitet. Schlechter sehen kann er durch einen solchen Dorn auf jeden Fall nicht.



Dem Tanz der Blinden wohne ich nun schon eine Weile bei. Es handelt sich dabei um einen oder um mehrere politische Tänze. Bisweilen erscheint es mir so, als würde der eine oder andere von Zeit zu Zeit mit einem Auge schielen. Denn tanzt mal einer aus der Reihe, korrigiert sie sich immerfort aufs neue diese asynchrone Choreographie.



Wie interessant es bisweilen sein kann, wenn Sehende tanzen, konnte ich neulich in Korea bestaunen. Die politische Message dieser Tänze gleicht der meinen. Die Konvergenz ist offensichtlich. Kein Bock auf Koloniale Denkmuster. Der Eurozentrismus gehört dem vergangenen Millenium an. Asien erwacht und man sollte damit beginnen, Asien auf Augenhöhe zu begegnen. Ich als Europäer bin gerne bereit, in diesem Dialog den Mittelsmann zu geben. Was ich ja, wie viele, die mich kennen, ohnehin schon mache.



Also, sagt es ihnen, und haltet durch. God made me funky and let there be house by any means necessary. Denn alles ist heute Authentizismus oder Karaoke. Egal, ob sie wie Robby Williams singen oder auch nicht. Die Liebe macht alles erträglich...^^
Und mit diesen Worten verstummt mein Wesen aufs Neue, um als leeres Echo im Back-Up-Speicher irgendeines Netzaktivisten memorisiert und dann vielleicht auch eines Tages ausgedruckt zu werden. Auf Papier gebannt zum Überleben verurteilt mit einem freudigen Lächeln.,.