Samstag, 10. Oktober 2009

24. Iteration



Vielleicht an dieser Stelle ein Rat an alle, die fragen, wie man einen guten Artikel über Computer- oder Videospiele schreibt: Achtet auch auf die Perspektive der Entwicklung dieser Spiele!

Lasst mich, um dies zu erklären, etwas ausholen: Beim Film hat es bis zum Aufkommen der massenhaften Verbreitung von Videorecordern gebraucht, bis man Filme auch von der Macherseite her betrachtet hat, d.h. bis über einzelne Einstellungen im Film und Regiearbeit hinter den Kulissen berichtet wurde. Bei Spielen ist dies heute noch nicht der Fall. Die meisten gehen immer nur vom Spiel aus also vom Entertainment Produkt. Sicher wird auch noch einige Zeit vergehen, bis man regelmäßig so wie über Theater und Film etwas über elektronische Spiele im Feuilleton lesen können wird.

Insgesamt aber lässt sich auch folgender Trend erkennen: Sämtliche Berichterstattungen haben sich vereinfacht, damit sie für ein Massenpublikum rezipierbar werden. Dabei vertieft sich kontinuierlich die Kluft zwischen Wissenschaft und der Trivialkultur. Denn für jegliche Medienberichterstattung gilt heute, dass sich die Betrachtungen im einzelnen sehr stark vereinfacht haben. Im Zeitalter von Internet scheint keiner mehr anspruchsvolle Texte mehr lesen zu wollen. Möglicherweise reflektiert sich unsere Kultur auch im Feuilleton. Wenn dort aber keine Tiefe mehr möglich ist, wo sonst? Bleibt bei Ausklammerung der technischen Perspektiven bei Computerspielen im Feuilleton nicht ein Teil unser Kultur auf der Strecke? (Oder ist es eher bedenklich, wenn ich hier von UNSERER Kultur spreche, in einer Zeit, in der sich die Öffentlichkeiten immer stärker zu zerstückeln scheinen?)

Wie dem auch sei, ich denke: Ähnlich wie in der Psychologie (die man bei der Entwickler Perspektive rückwirkend auch auf die Macher von Spielen beziehen kann) wird, vom Resultat also vom Spiel her ausgehend, eine Kopplung materieller Grundlagen (Hardware/neuronale Physiologie) mit systemischen Prozesslogiken des Funktionierens (Algorithmen/ neuronale, biochemisch, elektromagnetistische Prozesse) parallel und im relativen Zusammenwirken miteinander betrachtet. Ideal ist aber nach wie vor, wie Marshall Mc Luhan behauptet hat, wenn sich das Mediale am Medialen (also auch und vor allem das Technische) camoufliert, um Entertainment zu bleiben.



Die Ergebnisse auf dieser Oberflächenwirkung abzielenden Entertainment Produkte werden als technische Produkte von Standardisierungsprozessen erlebbar und erfahrbar, und verweisen dabei immer auch auf eine technologische Tiefenstruktur in all ihren historisierbaren Standardgefechten, die nach ökonomischen wie auch technologischen Vorgaben, das Wesen der Spiele von Innen her mitbestimmen. Zur Zeit ist es also so, als habe sich die Öffentlichkeit einschließlich vieler Wissenschafter, die zur Zeit versuchen, deskriptive Ansätze zu formulieren, die den empirischen Teil der Spiele betreffen, komplett auf die Wirkungsforschung dieser Spiele beschränkt. Wenige sind gewillt oder in der Lage, diesen Betrachten auch das Technische hinzuzuaddieren. So, als habe man sich in der Wissenschaft wie auch im Feuilleton einen Hardware Occlusion Culling Algorithmus verordnet, sind die meisten Outputs der s.g. Game Studies heute in vielen Punkten Technologie agnostisch.

Kleine Vorstöße werden immer wieder glatt gebügelt. Autoren, die versuchen das zu ändern, werden plump als Technokraten verschrien, so als habe Max Bense nie gelebt. Auch der Verdacht eines Kybernetik Faschismus wird an einen herangetragen, wenn man versucht, den Kultur Begriff nicht nur sozial sondern auch technisch zu definieren. Daher kann man jungen Autoren eigentlich eigentlich nur raten: produziert mediokren Output, den jeder verstehen kann! Nicht zu abgehoben, nicht zu viele Details und denkt daran, dass das, was Ihr schreibt, für manche Menschen ein Kommentar zu ihrer teilweise recht einsamen Lebensrealität wird, die von Gruppenzwängen und kleineren Machtkämpfen mit geprägt ist.

Games sind immer auch eine Art Refugium gewesen. Wenn Sie es nicht mehr sein können, werden sie immer stärker zu einer Öffentlichkeit, wie dies bei Online Spielen der Fall ist. Anbetracht dieses Wandels, innerhalb dessen Spiele von breiteren Öffentlichkeiten genutzt werden und für immer mehr Menschen zu Erlebniswelten mutieren, die von Millionen von Menschen zeitgleich erkundet werden, besinnen sich eine Handvoll von Autoren auf die kontemplativen Restwerte dieser Entwicklung. Dabei ist die Hoffnung vielleicht nicht unbegründet, dass dabei die Entwickler Perspektive stärker in den Fokus rückt, um Spiele in ihrer technischen Gemachtheit zu erkennen vor dem Hintergrund einer jeweils anderen sozialen Realität. Die Spiele verweisen dabei immer auch auf vorherrschende Technologiestandards einer stets sich weiterentwickelnden Entertainment Generation. Man sollte dabei lernen, die Spiele nicht nur Game spezifisch sondern immer im Zusammenhang mit anderen Spielen zu diskutieren, zu erörtern und zu problematisieren, denn sie greifen vielfach auf dieselben proprietären Betriebsysteme und damit auch auf die gleichen Middleware- und Hardware Grundlagen zurück und dies bestimmt ihre Metastruktur. Dass dies gemacht wird, also die technische der inhaltlichen Perspektive hinzuaddiert wird, ist heute nicht selbst verständlich der Fall. Wobei dies der Betrachtung sicher nicht abkömmlich wäre auch im Sinne einer Emanzipation der User.



Die längst zum konservativen Wert erstarrte kontinuierliche Evolution argumentiert jedoch, von Marketing Departments beflügelt, stets in Superlativen und büßt dadurch nach und nach seine Glaubhaftigkeit ein. Nicht jeder User möchte mehr an das Ultimative glauben. Denn während Shakespeare´s Lebensweisheiten uns heute noch erreichen, tun dies die Outputs einer technisch geprägten Entertainment Kultur von gestern heute schon lange nicht mehr. D.h. die Halbwertzeiten von Entertainment Produkten verringern sich kontinuierlich. Vielleicht auch, da die Messlatte hier vielfach nicht hoch genug gesteckt zu sein scheint. Da jedoch der redaktionelle Inhalt in einer kommerziellen Welt auch immer an die Schaltung von Anzeigen gekoppelt ist, gerade, wenn man nicht Auflagenstärken oder Nutzerzahlen vorweisen kann, wie es die klassischen Print Titel beispielsweise der Springer Gruppe vermögen, sind diese Berichte meist eher an Zugeständnissen interessiert als irgendwie auch nur entfernt so bissig zu sein, wie sie sein können. Denn welcher Redakteur wäre schon in der Lage, die Gadget Verliebtheit der Wii User als ulkig und äußerst kurzweilig darzustellen und zwar innerhalb einer Phase von verstärkten Marketing Aktivitäten im Sinne einer unbestechbaren don´t believe the hype Mentalität? Büßen die Medien nicht angesichts solcher Quasi- pekuniärer Gleichschaltungsmechanismen einiges an Glaubhaftigkeit ein? Können wir als Redakteure und Autoren angesichts solcher Mechanismen Qualität überhaupt noch erkennen? Und wie relativ ist das alles überhaupt? Sollten Magazin Cover generell käuflich zu erwerben sein, wie dies beispielsweise beim vielgelobten Edge Magazin der Fall ist? Sicher ist die Edge hat Akzente gesetzt. Auch die französische "Amusement" scheint in die Fußstapfen der GAME FACE getreten zu sein. Und logischerweise haben auch die Gamestar und die PC Games haben einiges bewirkt. Dennoch ist auch vieles auf der Strecke geblieben. Viele Redakteure werden zähneknirschend zur Halbwahrheit verdammt und kassieren dafür regelmäßig ihr Schweigegeld.



Dennoch sollte man im Rahmen dieser Diskussion nicht vergessen, dass die Firma Valve nach wie vor eine der besten Spiele Firmen ist, die mit ihrer Half Life Serie immer auch die Open Source Entwicklung mit gefördert hat. Auch inhaltlich merkt man diesen Spielen eine gewisse Detailverliebtheit an. Beides ist bei vielen kommerziellen Entwicklern einfach nicht der Fall. In sofern befindet sich ein Großteil der Games Entwickler, nicht nur in Deutschland sondern überall in der Welt in einer Lobby für Microsoft. Viele merken es nicht einmal. Und selbst wenn man dies zur Sprache bringt, wie es beispielsweise damals in unseren GAME FACE Magazinen gemacht wurde, ändert sich in der Regel heftig wenig. Standards beflügeln das Geschäft. Davon kann die Stromindustrie auch ein Lied singen. Und wer würde im Zusammenhang mit Spielen schon auf Green IT und effizientes Stromverbrauchsverhalten hinweisen?

Die großen Medien sind in vielen Fällen an leicht verdaulichen Meinungen interessiert. Das erstaunlich Mediokre regiert. Denn alles muss leicht verständlich sein. Dennoch bildet das Spielen von einigen Spielen seine Spieler als Experten für diese Spiele aus. Sie betreten beim Spielen eine alternative Realität. Und die Realität dieser virtuellen Erfahrungswelten spiegelt in vielen Fällen auch das surreal Kunsthafte wieder. Gleichzeitig findet es auf der Grundlage real existierender technologischer Standards statt, die wiederum immer innerhalb von sozialen Kontexten eingebettet ihre User erreichen. Der den Spielern attestierte Realitätsverlust reflektiert sich gleichermaßen in der Realpolitik:

Dies reflektieren unter anderem Thilo Sarrazin Äußerungen aus einer Zukunftsperspektive.

Mit freundlichen Grüßen aus Neukölln, einem Ort, an dem Games sich gerade unter ausländischen Jugendlichen einer unglaublich starken Beliebtheit erfreuen.