Montag, 19. April 2010

36. Iterationen



Im vorangegangenen Posting schrieb ich: "die Alten haben uns bald schon fest im Griff"...

Also ich glaube, ein wenig plakativ muss man es eben bisweilen schon formulieren, damit jemand reagiert. Ich selbst bin mit knapp 40 auch schon nicht mehr der Jüngste und dennoch sind die, die heute jung sind nicht mehr so in der Überzahl wie es seiner Zeit die 68er waren.

Jedoch lohnt die zahlenmäßige Evaluation der derzeitigen Situation. Denn da die Jugenlichen gerade im Hinblick auf all die bunten Entertainment Angebote heutzutage zu politisieren sind als unsere älteren Staatsbürger zeichnet sich hierbei deutlich ein zahlenmäßiges Mißverhältnis ab.

Die Loveparade war sicher eine Idee, Jugenliche zu motivieren aktiv zu tanzen und zu konsumieren. Auf ihren Demonstrationen durfte aber auch getanzt werden. Gibt es denn etwas vergleichbares wie eine Loveparade heute? Gibt es denn eine Demonstration, die von der Jugend ausgeht? Ist die Jugend denn nicht heute in den Clubs und vor den Bildschirmen? Kann man sie denn noch mobilisieren, dass so es überhaupt noch etwas bringt?

Bei den Veranstaltungen des Chaos Computer Clubs wird schon jährlich eine kritische Menge an klugen Köpfen mobilisiert. Jedoch sind es zu wenige, um einen Stein in Rollen zu bringen. Die Themenauswahl dieser Events liegt qualitativ deutlich über der kommerzieller Anbieter von Game Events etc., die sich vielfach nicht trauen, politische Themen mit auf die Agenda zu setzen, die nicht die Vermehrung des Konsums vielfach von Gewalt verherrlichenden Spieleinhalten thematisieren. Dabei sind die Fragen unserer Zeit die eng an die Progression der technologischen Entwicklung und ihren politischen Reperkussionen gekoppelt. Woran liegt das? Keiner möchte darüber diskutieren.

Aber es gibt Gewaltspiele und immer spielen dort die Unterlegenen gegen eine Übermacht. Resultiert die Lust an Gewaltspieleinhalten nicht auch aus einer potentiellen Unterlegenheitssituation heraus? Befinden wir uns nicht gerade alle in einem War Against Terror? Damals hat man noch lautstark gegen die Gewaltvideos polemisiert. Heute ist der Krieg für uns zur Normalität unseres Alltag geworden.
Beides geschah und geschieht relativ schleichend und beides wurde und wird auch von den damaligen 68ern mit toleriert. Das Potential zur Revolte der Jugend wurde stellenweise mit Hartz IV subventionierten Alkohol- und Drogenkonsum erstickt und mit virtuellen Bildschirmspielen einfach weggeballert. Auch der Sport hat seinen Beitrag zur Domestizierung der Jugend beigetragen. Die strenge Disziplinierung der Körper ging dabei jedoch einher mit Rock n Roll, hedonistischem Terror des einzelnen gegen sich selbst und virtuellen Tötungs- und Terrororgien. Gleichzeitig bringt die Virtualisierung vieler sozialer Beziehungen und deren Augmentierung durch Community Plattformen neue Chancen mit sich.

Angesichts dessen: Wer kann heute noch 1000 junge Menschen oder mehr dazu bringen, sich an einen Ort zu versammeln wenn nicht Stars oder Rockstars? Vielleicht ist es daher gut, wenn auch diese beginnen, politische Meinungen zu haben und politischen Aktivismus zum Teil des Fan Kults erheben, wie es damals seinerzeit auch bei Public Enemy der Fall gewesen ist. Auftritte von Stars bei Game Events gehören inzwischen auch zum guten Ton. Einige Stars haben auch ihr eigenes Spiel herausgebracht. Mal abwarten, wie ein Lady Gaga Spiel aussehen könnte. Ich bin jedenfalls sehr gespannt.

Lady Gaga hin oder her, oder auch Snoop Dog oder Twista oder wer auch immer...meines Erachtens nach sollte man mal darüber nachdenken, in wie fern man die Jugend demokratiefähig ist, wenn sie über viele Sachzusammenhänge, über die es bei Wahlen abzustimmen gilt, keine Ahnung hat. Das ist sicher ein riesiges Problem heute. Sollte man aber nicht im gleichen Zuge diese Frage auch an die Großzahl der Älteren richten, die nicht mal wissen, wie man im Internet surft?

Die politischen Fragen, die die Technologie heute aufwirft lassen sich jedoch nicht länger kaschieren? Stars können dazu beitragen, das Bewusstsein für Technologie innerhalb unserer Gesellschaft zu schärfen - auch wenn das ein wenig so wäre, als würde ein Deus Ex Machina mit dem Publikum über seine eigene Aparate reden... Ein Bewusstseinswandel muss einsetzen und zwar jetzt. Und dies ist ein politisches Statement.