Montag, 27. Oktober 2008

14. Iteration


Die Standortfrage ist doch in vielerlei Hinsicht an eine politische Debatte geknüpft. Ich begreife nicht, wieso dies alle vergessen zu haben scheinen. Die Leipziger haben damals die Wende mitbewirkt. Mit einem unglaublichen Mut. Nun ist die Wende da und die Regeln des Marktes in der sich gerade reformierenden “sozialer” werdenden Marktwirtschaft herrschen nach Maßgaben der Effizienz. In wie fern ein blindes Kalkül ohne Ressentiments und ein Gespür für international politisch wirksame Zeichen die Standortfragen mit beeinflusst haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Den bisher gefallenen Argumenten in der Debatte um die Standortfrage eines deutschen Spiele Events kann man jedenfalls nicht ablauschen, in wie fern es ein internationales sein möchte oder auch nicht, in wie fern man überhaupt mit Politik etwas zu tun haben möchte, wenn es nicht gerade darum geht, Politiker, Psychologen und Mediziner öffentlich Games Persil-Scheine auszustellen.

Ob die Historie des Standorts von Interesse ist oder nicht, ob man als deutscher Verband überhaupt dazu in der Lage sein kann, ohne sich mit den anderen Verbänden Europas gemeinsam an einen Tisch zu setzen und eine Europäische Dachorganisation der Publisher - wie es PEOGA für Publisher von Online Games sein wird - zu gründen.
Denn zur Zeit sieht es so aus: Deutschland bestimmt. Alle beugen sich dem Diktakt des BIU. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn der BIU beugt sich, unter Ausnahme eines deutschen Publishers, der sein meistes Geld nicht mit Games sondern auch mit Musik und Büchern einnimmt, in erster Linie dem Diktakt von Ami-Firmen und dem von japanischen Firmen, deren Börsen Kurse, wenn die derzeitige Talfahrt der Börsen Kurse anhält, vielleicht dann noch die Hälfte (oder ein wenn es hart kommt einen Zehntel) ihres bisherigen Wertes haben werden. Vielleicht wird die Gamescom auch aus finanziellen Gründen abgesagt werden müssen.

(Wir werden wahrscheinlich noch etwas abwarten müssen, sollten die Budgets nicht schon irgendwo nachweislich aufgebracht worden sein. Wie können sich die Kölner da so sicher sein, dass das alles rechtzeitig bezahlt werden kann? Mit Leipzig hätten die zuständigen Entscheidungsträger auf jeden Fall einen zuverlässigen Partner an ihrer Seite gehabt.)

Meine Kritik zeigt, dass die GC in Leipzig von vornherein als nationales Event konzipiert gewesen ist. Der VUD hatte seiner Zeit noch nicht den Mut direkt mit der ECTS oder gar der E3 zu konkurrieren. Das wäre auch anmaßend gewesen. Hauptargument für Leipzig war damals gewesen, dass die meisten Spiele in den Ostregionen abgesetzt wurden. Dies konnte der VUD durch Marktdaten untermauern. Inzwischen hat sich jedoch einiges im Markt verändert. Die Bedeutung von Retail-Verkäufen lässt nach.
Zu dem Zeitpunkt, als die E3 zum neuen Konzept überging und aus hunderttausenden wenige hundert Besucher wurden, fehlten in Leipzig Konzepte, wirklich in Absprache mit internationalen Firmen, die E3 zu ersetzen. Aber wäre das nicht auch anmaßend gewesen? Ich denke, man kann keinem einen Vorwurf machen. Außer dass es auch meiner Sicht das falsche politische Zeichen ist, jetzt nachdem die GC sehr erfolgreich funktioniert hat, aus Leipzig weg zu gehen und wieder bei ganz bei Null anzufangen. Dass man in Köln wirklich derart viele Leute motivieren können wird, sich für Games zu interessieren, wird die Zukunft zeigen müssen. Ansonsten hat man sich die große Chance vergeben, die neue E3 zu werden und damit auch international für einen Bedeutungszuwachs von Games in Europa beizutragen.
Doch welcher amerikanische oder japanische Publisher hat denn gewollt, dass die Hauptveranstaltung ihrer Industrie, der Games Industrie, in Europa sei? Die Japaner versuchen gerade die Tokyo Game Show zum Welthauptevent auszubauen. Jetzt, wo Leipzig wegfällt und die Zukunft der Gamescom unsicher ist, überlegen sich auch an anderen Orten die Eventbetreiber neue Konzepte, um Games vielleicht auch in ihrer Stadt international anzusiedeln. Immerhin soll es auch ein neues Konzept bei der E3 geben. Aber ohne Activision Blizzard und andere Firmen, die aus der ESA ausgetreten sind, wird dies wohl auch selbst dann nicht mehr so eine tolle Veranstaltung werden wie es die E3 damals war.

Nach der Pleite der ECTS und auch der Beendung der E3 und dem Niedergang der GC zu einem nationalen Event mit dem Namen Gamescom, das vor allem darauf abzielen wird, lokales Arbeiterpublikum anzuziehen, also Konsumenten. Denn es geht in der Verbandsarbeit des BIU vor allem um eines: Absatz. Und dies um jeden Preis. Absatzförderung für Auftragsgeber aus Übersee, ohne politisches Feingefühl und ohne kulturelle Ziele.

Daher können die BIU Leute auch nicht anders. Alles war immer auf Wachstum ausgerichtet. Wenn das Ende des Fahnenstange erreicht ist, gibt es in Deutschland keine Geschäftsführer bei Gamesfirmen, die sich aufbäumen und genügend Mut an den Tag legen, um für Leipzig aufzustehen und sich für Leipzig stark zu machen. So wie damals sich die Leipziger für Deutschland stark gemacht haben. Alle denken nur an sich und ihren Job. Sie haben Angst, ihren Job zu verlieren, wenn nicht kontinuierlich die ins Ausland reportierten Zahlen steigen. Wirtschaftswachstum aber wird in den nächsten Jahren vielleicht eine seltene Erscheinung werden. Vielleicht wäre es dann unter solchen Umständen doch besser, in Leipzig zu bleiben.

Man wird sehen, ob sich ganz Europa nach dem BIU richten wird. Aber schön, wenn es so wäre. Daher wünsche ich dem BIU auch viel Glück für dieses Unternehmen und behalte mir vor zu kooperieren, da man die GC scheinbar doch mehr zu fürchten scheint, als man offiziell zu zu geben bereit ist.

Die GC wird vom Spirit her weiterexistieren. Und sollten sich die Kölner doch als schlechtere Spieler als die Leipziger erweisen, wie anhand von einigen Gamescom Werbeaktionen noch während der GC zu vermuten wäre, werden wir wohl vielleicht eines Tages wieder an einen neuen Standort reisen. Wieso nicht ohnehin eine Messe, die von Ort zu Ort zieht, wodurch die Besucher andere Länder und Sitten kennen lernen würden?

So etwas ist bei Kongressen zumindest Gang und Gäbe. In wie fern eine Messe immer mit einer Konferenz oder vielleicht auch bald einem Kongress gekoppelt sein muss, wird man sehen. Vielleicht ist dies nicht immer der Fall. Vielleicht gibt es für Leipzig auch so etwas wie eine Zwischenlösung. Möglicherweise ist der Elektronik Einzelhandel (oder auch sein Verband) in Sachsen Games in der Lage, eine kleine GC auf die Beine zu stellen. Es könnte sicher eine ganze Menge von Ideen geben, Leipzig als Games Standort zu erhalten.

Andererseits ist in der Geschäftswelt der Wandel kontinuierlich. Die Zeiten ändern sich und damit auch die Akteure. Alles befindet sich im kontinuierlichen Flux. Warum sollte dies nicht auch in der Games Industrie möglich sein?