Donnerstag, 8. April 2010

32. Iteration


Nach Monaten der Absenz meldet sich der Geist erneut zu Wort, um Komplexitäten zu beschreiben, die sich ihm zeigen und sich dennoch einer Vermittlung an eine breitere Masse völlig entziehen. Politischer Aktivismus kann heutzutage mit vielen Fachbegriffen pathologisiert werden und dennoch scheint es einen Grund zu sein, warum sich in Deutschland immer mehr Abkömmlinge von Migranten trauen, ihren Mund zu öffnen und die Wahrheit, die sich erkennen in Worte zu kleiden. Vielleicht ergibt sich dieser Blick, diese Wahrnehmung erst durch eine Außenperspektive. Man spricht mit der Perspektive des Außenseienden von Innen heraus. Dies war heute sowohl bei Maybrit Illner als auch bei Samy Deluxe der Fall.

Denn kurz nach dem Facebakers.com bekannt gab, dass es in Afrika (mehr als 10,5 Mio. User) mehr Facebook User gebe als in Deutschland ( ca. 8,8 Mio. User) und dass es global betrachtet fast schon eine halbe Milliarde (421 Mio. User) Menschen seien, fragten sich die ersten Experten, wie lange es denn dauern würde, bis Facebook zum neuen Telefonbuch der Welt avancieren würde. (Die Tatsache, dass ich dies der Öffentlichkeit auf meiner Google Blogspot Website mitteile, die mit Google Bannern bestückt ist, an denen ich keinen einzigen Cent verdiene, ist vielleicht im Meta Kontext eine verblüffende wie auch sich selbst bestätigende gewollte beiläufige Zufälligkeit.)

Diese Neuigkeiten wurden von meinen koreanischen Freunden aus den USA an mich gepostet. Bzw. einem koreanischen Facebook Freund, der für ein japanischen Unternehmen arbeitet und diese Informationen seinerseits von seinem japanischen Vorgesetzten bekommen hatte.

Damit wurde klar, welche gigantische Größe dieser Datengoliath inzwischen angenommen hat. Das Platzen der Dotcom Bubble hat in Wirklichkeit dazu geführt, dass wir für die wichtigen Fragen unserer Zeit nahezu blind geworden zu sein scheinen und Firmen, die sich mit Internet Geschäftsmodellen beschäftigen bis vor kurzem noch relativ unerkannt unter dem Radar der politischen Regulierungsauthoritäten geschwommen sind. Nun versucht der Gesetzgeber zu reagieren. Aber die Strukturen sind längst viel zu unüberschaubar geworden. Das Netz ist zugleich eine Summe von vielen Aktivitäten Einzelner. Einige sind nur einfache User. Andere als solches Funktionäre und die wenigsten entwickeln etwas. Man könnte angesichts der ohnehin schon hinreichenden Komplexitätsexplosion sagen: zum Glück.
Wie dem auch sei, sicher haben z.B. Microsoft und Apple durch die Vereinfachung von einigen Programmier Standards und entsprechenden Tools und Libraries dazu begetragen, dass sich auch der Bereich der Entwicklung stark vereinfacht hat. Aber wie immer bringt jede Vereinfachung auch immer gewisse epigonale Risikofaktoren mit sich, was jeweiligen die Source Codes und die jeweiligen Compilier betrifft.
Dennoch bleibt selbst das Fachchinesisch aufgrund der allgemein angestiegenen Komplexität selbst meist äußerst oberflächlich. Wie also soll man dem heute, da die Fragen der Datensicherheit offen gestellt werden und die kulturellen Unterschiede nicht nur zwischen China und den USA sondern auch zwischen USA und Europa klar zum Vorschein treten lassen.
Man gibt den Amerikanern eine Krankenversicherung, man rüstet atomar ab. Aber zu welchem Preise. Sicher ist einer Administration wie der Obamas, die auch schon im Wahlkampf aktiv das Internet für ihre Politik eingesetzt hat, nicht verborgen geblieben, dass die neuen Supermächte heute längst keine russischen oder chinesischen Namen haben. Zumindest noch nicht. Ihre Namen sind nach wie vor Microsoft, Sun Systems, IBM, Apple aber auch und vor allem Google, Facebook, Youtube, Amazon und ihre Konkurrenten. Dies könnte sich aber auch ändern.
Während die einen Datensicherheit einfordern, stellen die anderen die freie Informationsgesellschaft, die eigentlich eine Erfindung der Hacker gewesen ist, dagegen. Man könnte fast sagen, dass einige der großen Big Player des Internet Geschäfts heute den einstigen Spirit der Hacker für sich adaptiert haben und dadurch gerade im Begriff sind, unsere globale Gesellschaft komplett zu verändern. Wie nachhaltig dieser Veränderungen sein werden, können wir heute wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen.
Sicher ist: vieles von dem, was uns heute als Technologie ins Haus flattert, übersteigt in einem Funktionieren bei weitem unseren Intellekt. Beim Trabbi und bei Käfer konnte man noch sagen, woran es lag, wenn das gute Autochen nicht mehr fuhr. Bei einem neuen Fahrzeug unserer Tage ist dies so gut wie unmöglich geworden.
Uns umgeben also in unserem täglichen Leben lauter s.g. kybernetische Black Boxes, deren Funktionslogiken uns ihrem Wesen nach unbekannt sind. Die Geräte sind heute genauso mysteriös wie für Oswalt Kolle seinerzeit die Frau. Alles ist tragbar. Internet ist wireless. Und wir, die Menschen in der Welt, werden zunehmend kollaterales Beiwerk eines riesigen nach kybernetischen Gesichtspunkten funktionierenden vernetzt organisierten Funktionsganzen.

Die Aussteiger sind einkalkuliert. Gleichzeitig liefern Geschehnisse in Afghanistan und an anderen Orten in der Welt immer neues Material, das getwittert werden kann, das einen kleinen Clip ergibt, neues Futter für das System, das kontinuierlich expandiert.
Seiner konstant ansteigenden Monströsität stehen wir in etwa so ohnmächtig gegenüber wie die KRELLs ihren Erfindungen in Forbidden Planet (Science Fiction Filmerfolg der 50er Jahre des 20. Jhrd.).
Die Zukunft ist also schon heute Realität, jedoch sind ihre Mitteilungskanäle zumeist unreflektiert. Denn die Politiker unserer Tage verharren im Gestus des Ewiggestrigen, dies liegt auch daran, da das Ewiggestrige wie Schloss Schwanstein und Wagner Teil unserer vermeintlichen Identität geblieben ist. Davon gilt es sich vielleicht zu distanzieren. Vielleicht bedarf es einer wirklichen Kulturrevolution in Deutschland. Einem Aufstand der Intellektuellen. Denn es wäre schön, wenn die Leute unter uns, die wirklich etwas zu sagen haben, es auch sagen dürfen, vor allem, wenn es sich philosophisch mit den Fragen unserer Zeit auseinandersetzt.
Vielleicht hat Bundeskanzlerin Merkel ja Recht, wenn sie sich Diskussionen nicht mehr stellt. In einigen Fragen aber werden uns schon bald die Versäumnisse der Vergangenheit einholen, wenn nicht fundamental neu nachgedacht wird. In sofern kann man dem deutschen Rapper Samy Deluxe wirklich beipflichten. Denn es kommt auf eine Perspektivenwechsel an. Deutschland hat sich gewandelt. Oder vielleicht sollte sich Deutschland wandeln. Leute, die zu diesem Wandel beitragen können, sollten stärker gefördert werden. Die Marginalisierungsbestrebungen der Vergangenheit haben de Facto keinem etwas genützt. Sie haben eher dazu beigetragen, die Dinge zu verschlechtern.
Und an dieser Stelle zitere ich nun meine spntanen Eingaben zu Samy Deluxe Sendung im ZDF:

"Dis wo ich herkomm"... Coole Sache: Samy Deluxe macht ne politische Deutschland Tour mit Juliavon Dohnanyi. ZDF und fünf Jugendliche aus ganz Deutschland sind mit dabei. Warum cool? Nun cool aus meiner Sicht. Denn wenn Samy Deluxe von dem "Neuen Deutschland" spricht, meint er Menschen wie mich, die nicht aussehen wie ...Deutsche aber irgendwie auch Deutsche sind."

Nachtrag1:
Nicht alle dieser Talente können/konnten Rapper werden. Nur wenige waren erfolgreich. Viele sind auf der Strecke geblieben. Krasse Schicksale. Teilweise.- Da können schon mal trotz abgeschlossenem Studium und krassem Engagement klitzekleine Benachteiligungen tagesordnungsmäßig normal werden. Überhaupt ein Studium abzuschließen... Aber weinen wir nicht rum... Ist doch alles "süper"... Und was, wenn man dann Deutschland nach dieser Sendung Samy Style kennengelernt hat: Drehen sich die Tische? Oder wandert alles inklusive aller politischer Ideen und all der Ideale von den Runden Tischen direkt auf die Langen Bänke? Man wird sehen. Jedoch cooler Ansatz und krass, dass solche Sendungen heutzutage bewilligt werden. Anscheinend braucht man uns nun doch. Irgendwie.. (Und hey, außerhalb der Großstädte ist immer alles anders. Hand aufs Herz.. Geht mal echt aufs Land... Und trotzdem darf man die Hoffnung nicht verlieren. Minoritäten sind doch eh immer die anderen. Krasse globale Perspektive... Die Zukunft ist halt unregelmäßig verteilt.. Aber: you can´t stop the dunk! )

Nachtrag2:
Webreferenz: http://www.crossover-ev.de

Nachtrag3:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/hauptnavigation/sendung-verpasst

Ich glaube, diese Problematik, Afrob hat dies nochmals etwas anders artikuliert, dass sich eine Gesellschaft nicht nur für eine Integration öffnen müsse, sondern auch Anreize für ein Integrationsbestreben bieten müsse. Um so krasser wird dies alles in Frage gestellt, wenn Migrantenkinder, die stellenweise komplett deutsch in deutschen Familien aufgewachsen sind, trotz bester Voraussetzungen überhaupt keine Chancen zur Integration erhalten. Zum Glück gibt es einige Ausnahmen und Leute, die wirklich erfolgreich geworden sind. Jedoch selten im östlichen Teil von Deutschland und ich rechne Berlin da mal mit dazu.

Wie dem auch sei: vor dem technischen Standards sind wir alle gleich. Sie stellen auch für Außenseiter ähnlich wie damals die Medizin Aufstiegschancen dar. Wer programmieren kann, kann diese Welt im Netz verändern und dafür sorgen, dass sie sich ändert. Diese Ermächtigung stellt ab einem gewissen Grad von Erfolg auch Fragen philosophischer Natur. Sich diesen Fragen zu widmen, war seinerzeit die Aufgabe von Philosophen gewesen. In unserer heutigen Wissenschaftslandschaft sind die Kompetenzen der Philosophen deutlich überschritten, wie es scheint, wenn es sich um die aktuellen Fragen der hypervernetzten globalisierten Real Time Gesellschaft handelt. Dazu haben die antiken Denker nur die eine Seite geliefert. Die von Heidegger konstatierte Dynamisierung des abendländischen Denken unter der direkten Einwirkung der technischen Medien hat sich in unserer heutigen Zeit klar verkompliziert. Man denke nur an all die unterschiedlichen Sprachkontexte der derzeit ans Internet angeschlossenen Kulturen. Sie illustrieren die Schwierigkeit Heideggers Philosophie zu internationalisieren und sie in allen Details auch anderen Kulturen zugänglich zu machen bzw. sie zu erweitern. Gleichzeitig stellt die allgemeine Metaebene allen Programmierens nach wie vor das Englische dar. Denn alle Programmiersprachen weisen anglophone Akronyme auf. Dennoch verweisen diese Sprachen in einem abstrakten unsichtbaren Raum mathematischem Kalküls.
Die determinierbare Lenkbarkeit dieses Diskurses erhält nun in den realen Vorgängen in Krisenregionen wie beispielsweise Afghanistan eine Antithese. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Rationalität und Irrationalität bzw. Emotionalität.
Ein krasses Beispiel hierfür stellen die vor einigen Tagen durchgesickerten Video Files von Wikileaks dar, in denen US Soldaten gezeigt werden, die schwer bewaffnet von einem Helikopter aus arabisch aussehende AFP Journalisten umbringen. Sie waren Migranten. In dem Land fremd, in dem sie als Einheimische ermordet wurden.

Mit welchem Selbstverständnis wurden diese Bilder aber in den deutschen Medien thematisiert? Eloquente ausländisch aussehende Redner können bei Maybrit Illners Talkshow nur darum als Studiogäste zweiten Ranges in Erscheinung treten, da die Machtstrukturen in der deutschen Gesellschaft kaum die Nachfahren ausländischer Migranten in Spitzenpositionen von Politik, Wirtschaft und Medien geschleudert haben. Bundesgesundtheitsminister Rössler mag hierfür ein rühmlicher erster Ausnahme Kandidat sein, vielleicht darin vergleichbar seinem Kollegen bei den oppositionellen Grünen.
Jedoch kann auch keiner behaupten, dass die Aufgabe, die man ihm zukommen lies eine besonders dankbare sei.

Wie dem auch sei. Es gibt ihn. Und es gibt diese Sendung von Samy Deluxe und die Süper Tiger Show etc. Auch haben Fimemacher wie Akin Erfolg.

Aber was ist es denn, was diese neuen Deutschen auszeichnet? Ist es nicht eine Quasi-Befreiung von Vorwürfen, mit denen deutsch aussehende sich immer konfrontiert sehen? Können anders aussehende Menschen nicht auch vermitteln zwischen Kulturen, zwischen Werten, zwischen Welten? Und kann man dann nicht auch schaffen, von den Äußerlichkeiten abzusehen und das Talent der Leute stärker zu fördern, ggf. auch zum eiegen Vorteil? Angesichts der sinkenden Geburtenraten, wie attraktiv ist es denn eigentlich noch, an ewig gestrigen Werten festzuhalten? In wie fern ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen für die deutsche Gesellschaft insgesamt positiv sein wird, wird die Zukunft zeigen. Ich glaube auch, dass sich Deutschland als ein besonderes Land innerhalb der EU vornehmen könnte, ideale Lösungen nicht in für Länder zu finden, in denen man stellenweise vorbildliche Entwicklungshilfe leistet. Eine ähnliche Bemühung könnte inzwischen auch im eigenen Land gebraucht werden. Vielleicht können sogar diejenigen dabei behilflich sein, die bisher noch nicht so stark von den Vorzügen dieser Gesellschaft profitieren konnten.

Jedoch sind Rapper sicher nicht die einzige Gruppe von Aktivisten, die man in diesem Zusammenhang versuchen sollte, stärker zu berücksichtigen. Ich will mich aber auch nicht beklagen.