Sonntag, 25. Oktober 2009

26. Iteration



Im ZDF Info Kanal gab es neulich einen interessanten Beitrag über Games im Rahmen der Sendung Elektrischer Reporter. Da scheint sich etwas zu tun. Aber alles immer so zynisch! Warum eigentlich? Fachlich scheinen sich die Redakteure auch nicht so besonders gut auszukennen. Denn über "Online Games" außer Counter Strike wurde kaum etwas berichtet... Diesbezüglich scheint es noch einiges an Nachholbedarf zu geben, aber bei Definitionen scheiden sich die Geister. Vieles ist akademisches Neuland. Und überhaupt: Die Diskrepanz aber zwischen bürgerlichem Theoretisieren und trivialen Gezocke ist meiner Meinung kaum noch überbrückbar. Zu groß sind die Unterschiede und die Widerstände gegen eine Zusammenführung dieser Lager allein im theoretischen Diskurs. Und dieser stark reglementierte Diskurs erreicht die Spieler kaum. Es sind die elektronischen Spiele von heute, die beide Gruppen zusammenbringen. Das Theoretisieren von Outsidern über die Szene wird immer etwas argwöhnisch beäugt. Das Misstrauen ist groß gerade im Zusammenhang mit einer doch recht oberflächlich und unter TV Bedingungen ausgetragenen Berichterstattung. In der Hinsicht konnte die erwähnte Sendung trumpfen. Sie ging bei aller Polemik und Stilgerechtheit ihrer betrachterischen Mittel doch nicht dem totalen Klischee auf den Leim. Doch ist dies allein schon progressiv? Oder wird dem Format nicht irgendwann seine Form zum Hinderniss? Wie lange wird es dauern, bis diese "Pioniere" des Fernsehens endlich zum Inventar einer posthumen New Media Hype Berichterstattung zählen werden? Wird durch diese Form das relativ unkoordinierte Sendungsbewusstsein der s.g. E-Sport-Szene ausgenutzt oder sind die Redakteure einer Lobbygruppierung anheim gefallen? Sicher die Zeiten des E-Sport Bundes haben sich gewandelt. Dennoch war es interessant, dass man Malte Behrmann nicht gezeigt hat, sondern nur über den hohen Abstand des Diskurses zum tatsächlichen Geschehen sprach. Handelt es sich bei den Theoretikern der Spiele wirklich nur um Opportunisten? Und sind die Hardcore-Zocker, aus denen E-Sportler werden, in Wirklichkeit nur spielesüchtig? Möglicherweise ist beidem etwas Wahres abzugewinnen. Vielleicht erkennt man im E-Sport auch eines Tages ein gigantisches Marketing Projekt der Hard- und Software produzierender Volksökonomien...

Am Ende sind die Theoretiker der Spiele alle selbst spielesüchtig.. Bei der intellektuellen Suche nach apologetischen Transzendenzen des Trivialen kollidieren kritische Worte mit den Lobbyinteressen ganzer Volksökonomien. In vielen asiatischen Staaten wird die Games Industrie, als welche sie in Ländern wie Korea, China und Singapur angesehen wird, massiv vom Staat mir Geldmitteln gefördert. Dies gibt es in anderen Teilen der Welt nicht. Zwar gibt es in Europa in einzelnen Ländern auch Spiele Förderprogramme, die nicht nur auf Technologie Innovation abzielen, im großen und Ganzen sind die Summen jedoch, die für diesen Bereich ausgegeben werden, kaum mit Fördertöpfen vergleichbar, die es in Asien gibt. Vielleicht hat man hierzulande noch nicht die Bedeutung dieser Art von Medienpolitik erkannt, die ultimativ auch auf strategischen Machtzuwachs und Einflussnahme innerhalb eines immaginären Kampfes der Kulturen spielt. Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene, von denen einige auch schon das vierzigste Lebensjahr erreichen, interessieren sich für diese Art von Entertainment Programmen und verbringen zunehmend mehr Zeit mit diesen Medien. Neue Formen der sozialen Interaktion und des Medienbegrauchs üben sich insbesondere durch das Spielen von Online Spielen bei diesen Zielgruppen ein. Bleiben sie bei einer durchschnittlichen Spielzeit von 50 Stunden pro Konsolenspiel und mindestens 5 Stunden pro Sitzung bei Online Spielen den ihnen während des Spielgeschehens präsentierten Inhalten gegenüber indifferent? Das Ziel der meisten Spiele ist eine hohe User Bindung, die dann bei s.g. Free-to-Play Online Spielen ultimativ auch zum Kauf von virtuellen Items führt. Demnach ist das Hauptziel der Anbieter dieser Spiele finanzieller Natur. Wobei die Idealisten auch immer wieder im Balancieren von Spielspass und finanziellen Aspekten die Hauptaufgabe des Game Designs sehen. In vielen Spielen dreht es sich um ganz existenzielle Fragen. Meistens handeln die Spieler aus einem Zwang heraus. D.h. eine zwanghafte Situation wird innerhalb der rahmenden Bedingungen eines Spiele-Regelwerks innerhalb der Vorgaben gemeistert. Schummeln ist kaum möglich ebenso wenig wie völlig freies Handeln. Die Inhalte der Spiele haben sich in den letzten Jahren bei aller Ausdifferenzierung des Mediums immer stärker in den einzelnen Kategorien angenähert. Kampf-, Sport und Rennspiele existieren neben Geschicklichkeitsspielen und Abendteuern, bei denen Spieler in die Rolle von Charakteren schlüpfen können. Meist sind die Handlungen im Bereich des Fiktiven angesiedelt oder in alternativen Realitäten. Dies könnte sich vielleicht eines Tages wandeln. Viele Game "Experten" reden in dem Zusammenhang auch immer wieder über Lernspiele oder s.g. Serious Games und die großen Hoffnungen für die Zukunft, die sich für sie daran knüpfen. Auch die NATO beginnt sich für Games zu interessieren, die über 60 Frames per Second darstellen können wie Egoshooter nach dem Vorbild von Crysis.

Würden aber Spiele, die über reale Entwicklungshilfe Projekte in Afrika berichten, Süßwasserknappheit oder alternative Energiegewinnung nicht genauso suchtgefährdend sein wie Kampfspiele? Vielleicht haftet dieser Idee die der Tranzendenz des Trivialen an, Reales im Fiktiven zu verhandeln (und nicht nur immer Orks und Elfen im ewigen Widerstreit..) Doch wen würde so etwas überhaupt in seiner Freizeit interssieren? Haben die meisten Menschen von heute nicht schon genug damit zu tun irgendwie in den Zeiten der Krisen klar zu kommen? Wer von uns denkt denn heute überhaupt jeden Tag an den Krieg in Afghanistan oder die zahllosen anderen Konfliktregionen in der Welt? Würde man anhand von Serious Games wirklich etwas verändern können? Oder ist vielmehr die Serious Games Debatte nicht eine verkürzte, die an der falschen Stelle ansetzt? Ist es wirklich so, dass sich so viele Militärs in Amerika für Serious Games interessieren, da eine Vielzahl der Rekruten in den amerikanischen Schulen nicht anständig lesen lernt und dass man daher schon auf alternative Lehrmittel verweisen muss? Zahlen die Amerikaner auch aus kulturellen Gründen einen derart hohen Blutzoll im Asien? Und wie kann man dieser Situation Herr werden?

Vor allem im Hinblick auf relativ ineffiziente Kommunikationsaugmentationstechnologien wie Power Point, riesen Lobbies, die wortlos dahinterstehen und Standardgefechte, die im Zusammenhang mit diesen ausgetragen werden, gewinnen die ebenfalls evolvierende Massive Multiuser Online Technologien im World Wide Web einen zunehmend interessanten Stellenwert.



Im Bezug auf Inhalte ist vielleicht Folgendes zu sagen:
"If the TV series LOST (2004) was inspired by The Beach (2000) and the Crysis (2007/2008/2010) game series by LOST, than Crysis ultimately crossrelates to The Beach, the former novel of 1996. The relation of Crysis and the Half Life2 game series also seems obvious whereas it is arguable whether most of these story-line-driven entities always tend to relate to archetype stories like Homer´s Odyssey (800 B.C.) or Sindbad (15th Century). By any means the audiences seem to understand: paradieses tend to have their downsides. And islands often bear hidden treassures and mysteries."

Denn auch, wenn Crytek technologisch die Nase vorn hat, sagt dies noch lange nichts über die Qualität der Spiele Dramaturgien aus, die einem die einem das technisch determinierte Spieleregelwerk erlaubt. Dies ist bei anderen Medien nicht anders. Zwar räumte der Film Slum Dog Millionär fast alle relevanten Oscars ab - eine technische Innovation konnte er nicht vorweisen. Und wenn Filme dies nicht müssen, um eine Förderung zu erhalten, warum müssen es dann Spiele?

Der Punkt, an dem sich dies ändern wird, ist meines Erachtens nach sicher bald erreicht. Vieles befindet sich im Wandel. Die von Jean Baudrillard schon erkannten Veränderungen stürzen auf uns nieder. Das Virtuelle entfaltet seine Realität. Die Simulationen der Simulation treten auf den Plan, Betrachtungswinkel verschieben sich und damit auch die Referenz-Ebenen. Jedoch sind nicht alle Menschen so einsichtig, wie man es gerne hätte. Viele blockieren die Innovation. Dass es Microsoft dennoch gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit, so erfolgreich zu werden, ist sehr beachtlich. Die Welt ist mit Sicherheit heute eine andere als noch vor 20 Jahren. Sendungen wie die Sendung Neues und Elektronischer Reporter sind sicher erste Indikatoren für einen nachhaltigen Wandel. Wo jedoch finden diese ihr Korrelat bei den Privaten? Auch hier werden sich bald Dinge verschieben. Und dies möglicherweise auch ohne Bildungsauftrag, denn dass die Topmodel Nummer herunter gefahren werden kann und dass Harald Schmidt auch ohne Pocher klar kommt, haben die Zuschauer von den Privaten ja schon lernen dürfen. Und auch wozu man Brausepuler alles nehmen, kann wissen jetzt all jene, die die Blechtromel weder gesehen geschweige denn gelesen haben.

Ich vertrete nach wie vor die klare Auffassung, dass man ohne eine massive Förderung dieses Bereichs Games, diesen Bereich der bildgebenden Verfahren und technologischen Entertainment Programm Produktion wenig erreichen wird. Die Staaten in Europa müssen dringend zum Umdenken bewegt werden. Und dafür müssen unter den herrschenden demokratischen Vorgaben die dafür notwendigen Öffentlichkeiten geschaffen werden. Denn für die Staaten in Europa wäre es äußerst lohnenswert zu erkennen, dass Europa eine politische Region ist, die ihre Einheit auch infrastrukturell erfahren könnte. Und dazu zählt heute nicht nur die Elektrizitätsinfrastruktur oder die der Telekommunikation, sondern auch wegweisende Rahmenrichtlinien für allerlei Unübersichtlichkeiten, die nicht jedem gleich ins Auge springen und dennoch diesen Kulturraum als Marktplatz im Digitalen definieren.

In diesem Zusammenhang könnte man sich an das letzte in deutscher Sprache erschienene Buch von Josef Weizenbaum erinnern: Es heisst: "Inseln der Vernunft im Cyberstrom? Auswege aus der programmierten Gesellschaft." Kann sein, dass wir heute viel tiefer in der Krise stecken, als es uns bewusst ist. Die Grenzen meiner Erfahrungskapazität bleiben in dem Zusammenhang auch die Grenzen meiner Welt und für einige endet der Erfahrungsraum schon im Sprachlichen. Die mediale Form tut ihr Übriges, um einerseits Identifikation zu ermöglichen oder wie im Fall von Elektrischer Reporter die Kluft zwischen denen und uns noch größer zu machen. Eine der Hoffnungen ist, dass es mit der neuen Regierung in Deutschland besser werden wird. Dem Technologie Agnostischen ist mit dem Verweis der SPD in die Requisitenkiste der Geschichte vorerst ein Riegel vorgeschoben worden. Man könnte auch sagen, der Aktivismus wird nun mit Gruppierungen wie PEEIA und PEOGA in die heisse Phase eintreten. Wie erfolgreich dies sein wird, bleibt abzuwarten...